Poser, Dr. Anita von – Vortragsexposé – Sommersemester 2019

Mainzer Universitätsgespräche
"Lebensphasen des Menschen"

Dr. Anita von Poser
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Sozial- und Kulturanthropologie,
Teilprojektleiterin im Sonderforschungsbereich ″Affective Societies –
Dynamiken des Zusammenlebens in bewegten Welten″, FU Berlin

Alter(n), Emotion und Migration aus ethnologischer Perspektive

Mittwoch, 12. Juni 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Den Untersuchungsfeldern Alter(n), Emotion und Migration ist zwar gemeinsam, dass sie fächerübergreifend erforscht werden, doch stehen systematische Überlegungen zu den Berührungspunkten zwischen Prozessen des Älterwerdens, emotionalen Orientierungen und migrationsbedingten Lebenssituationen noch am Anfang. Die Aktualität der Thematik ist spätestens seit der Einsicht, dass Deutschland eine ″Einwanderungsgesellschaft″ und eine ″alternde Gesellschaft″ ist, drängender denn je. In der ethnologischen, soziologischen und auch kulturgeografischen Emotionsforschung erstarken Studien über das ″Navigieren von Gefühlen″ unter den Bedingungen von (Im-)Mobilität erst seit wenigen Jahren. Ähnlich nimmt die Alter(n)sforschung erst seit kurzem nicht mehr nur die Mitglieder der sogenannten Mehrheitsgesellschaften in den Blick, sondern auch Zugewanderte, die jeweils spezifische Alter(n)svorstellungen mit sich führen. Zugleich finden in der soziologischen Migrationsforschung ältere Menschen mehr Beachtung. Ausgehend von einem ethnologischen Lifecourse-Ansatz stelle ich die These auf, dass die Qualität emotionalen Erlebens im Alter in hohem Maße bedingt wird durch die Qualität der affektiven Beheima­tungsprozesse, die Migrant_innen im Laufe ihres Lebens erfahren und aktiv gestaltet haben und die sie entsprechend befähigen, spezifische Zugehörigkeiten zu empfinden oder aber nicht. Mit dem von mir vorgeschlagenen Prisma ″Affective Lives″ (Poser 2018) soll keineswegs angedeutet werden, dass migrationsbedingte Lebensverläufe per se schwieriger sind. Es spricht jedoch vieles dafür, dass das Alter(n) im Zusammenhang mit multiplen Verortungen emotional ebenso wie affektiv deutlich komplexer erlebt und gedeutet wird, als gängige Schlagworte und Narrative in öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen über alternde Gesellschaften und alternde Menschen nahelegen.

Dr. phil. Anita von Poser studierte Ethnologie und Europäische Kunstgeschichte und wurde im Fach Ethnologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg promoviert (2009). Sie war Postdoctoral Fellow am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Halle/Saale (2010–2011), bevor sie an das Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freien Universität Berlin wechselte, wo sie seit 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist. Seit 2014 ist sie darüber hinaus Fellow des ″Jungen ZiF″ der Universität Bielefeld. Seit 2015 leitet sie ein ethnologisch-psychiatrisches Teilprojekt im SFB 1171 ″Affective Societies: Dynamiken des Zusammenlebens in bewegten Welten″ an der Freien Universität Berlin.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Tim Bindel
(Professor für Sportpädagogik/Sportdidaktik, JGU Mainz)
Endstation Fitness? Vom kindlichen Spielen zum funktionalen Sporttreiben
Mittwoch, 19. Juni 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)