Leiße, Prof. Dr. Olaf – Vortragsexposé – Wintersemester 2022/2023

Themenschwerpunkt des Studium generale
Europa – Ideen und Identitäten

Prof. Dr. Olaf Leiße

Leiter des Arbeitsbereichs Europäische Studien, Institut für Politikwissenschaft, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Le grand dessin – Über die Bedeutung historischer Europavorstellungen für die Gegenwart

Montag, 12. Dezember 2022, 18:15 Uhr
Aktuelle Informationen zur Veranstaltungsform und weitere Hinweise unter www.studgen.uni-mainz.de

Die Geschichte unseres Kontinents beginnt mit einer Straftat. Die phönizische Königstochter Europa wird vom griechischen Göttervater Zeus geraubt und nach Kreta gebracht. Diese gibt dem namenlosen Kontinent ihren Namen. Ein Europabewusstsein hat sich in der Antike und im frühen Mittelalter nicht ausgebildet, doch mit der Konstruktion von Nationen ging es verstärkt um die Frage eines friedlichen und ausgleichenden Zusammenlebens. Im Zentrum dieses Vortrags steht die Herausbildung von Europavorstellungen in der Neuzeit und ihre Auswirkungen auf die Verfasstheit des Kontinents in der Gegenwart. Im Zeitraum von rund 200 Jahren entstanden zahlreiche Pläne für eine politische Umgestaltung des Kontinents. Dabei schälte sich allmählich ein immer konkreterer Europabegriff heraus. Die Pläne wurden zu ihrer Zeit nicht umgesetzt, da sich das Nationalstaatsprinzip durchsetzte und somit die territoriale Aufteilung Europas im Mittelpunkt stand. Ein "grand dessin", ein großer Entwurf für Europa, konnte nicht verwirklicht werden. Doch blieben die Europavorstellungen in der Ideengeschichte präsent und wurden im Rahmen der europäischen Integration wieder aufgenommen und weitgehend umgesetzt. Die politische Gestaltung Europas bleibt dennoch eine dauernde Herausforderung.

Apl. Prof. Dr. Olaf Leiße ist Leiter des Lehr- und Arbeitsbereichs Europäische Studien an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Habilitation an der Universität Erfurt über den österreichischen Politiker Otto Bauer und die Ausgleichsbemühungen der Habsburger Monarchie zwischen den Nationalitäten vor Beginn des Ersten Weltkriegs. Dissertation über die Chancen und Grenzen einer Demokratisierung der Europäischen Union. Zu seinen Lehr- und Forschungsschwerpunkten gehören die Reform der EU sowie die Europäisierung Südosteuropas und des Südkaukasus. Darüber hinaus forschte er zu den Minderheiten in der Türkei. Zu seinen neueren Publikationen zählen Die Europäische Union für Dummies (2019), Politik und Gesellschaft im Kaukasus. Eine unruhige Region zwischen Tradition und Transformation (2019), Vom Elysée-Vertrag zum Vertrag von Aachen: Lektionen der Vergangenheit für die Herausforderungen der Gegenwart (2021), Europäische Identität und öffentliche Meinung (2020), Religious Minorities in Turkey: Alevi, Armenians, Assyrians and the Struggle to Desecuritize Religious Freedom (2017).

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Georg Glasze

Inhaber des Lehrstuhls für Geographie (Kulturgeographie und Orientforschung), Institut für Geographie,
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Die Konstruktion raumbezogener Identitäten – das Beispiel Europa
Montag, 16. Januar 2023, 18:15 Uhr