Öffentliche Vorlesungsreihe – Sommersemester 2024

Mainzer Universitätsgespräche – Interdisziplinäre Kolloquienreihe

Stadt[t]räume. Entwicklung und Zukunft der Urbanität

Städte sind als Reaktion auf soziale, wirtschaftliche und kulturelle Bedürfnisse entstanden. Der Übergang von nomadischem Leben zu sesshaften Gemeinschaften ermöglichte die Entwicklung von Handel, Arbeitsteilung und kulturellem Austausch. Städte wurden Zentren von Innovation, Kultur und Fortschritt in menschlichen Gesellschaften. In den letzten Jahrhunderten hat die Industrialisierung die Urbanisierung vorangetrieben, was zu einer rasanten Zunahme von Bevölkerung und Infrastruktur in städtischen Gebieten führte.

Die Zukunft der Urbanität zeichnet sich durch mehrere Schlüs­seltrends ab. Die fortschreitende Digitalisierung könnte die Art und Weise, wie Städte funktionieren, grundlegend verändern. Intelligente Technologien sollen die Effizienz von Verkehr, Energieverbrauch und städtischen Dienstleistungen verbessern. Gleichzeitig werden nachhaltige Praktiken und umweltfreundliche Infrastrukturen eine zunehmend wichtige Rolle spielen, um den ökologischen Fußabdruck von Städten zu minimieren.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die soziale Entwicklung der Urbanität. Städte werden weiterhin Schnittpunkte von kulturell unterschiedlichen menschlichen Lebensweisen sein, und die Förderung von sozialer Integration und Gleichberechtigung wird entscheidend sein, um eine inklusive und weitgehend konfliktfreie Stadt zu schaffen. Gemeinschaftsprojekte, öffentliche Räume und kulturelle Veranstaltungen sollen dazu beitragen, das soziale Gefüge in städtischen Gebieten zu stärken.

Die Zukunft der Städte wird von Innovation, Digitalisierung und sozialer Integration geprägt sein, um lebenswerte, effiziente und umweltfreundliche urbane Räume zu schaffen. Insgesamt steht die Entwicklung der Urbanität vor der Herausforderung, eine ausgewogene Balance zwischen Fortschritt und Nachhaltigkeit zu finden. Diese Balance wollen wir diskutieren mit Wissenschaftler*innen und Fachleuten aus Anthro­pologie, Architektur, Humangeographie, Medizin, Neurowissenschaften, Philosophie, Stadt- und Verkehrsplanung sowie Umweltwissenschaften.


Einführungsvideo zur Vorlesungsreihe:

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Prof. Dr. Frauke Kraas
Professorin für Anthropogeographie, Geographisches Institut, Universität zu Köln
Megastädte Asiens im Transformationsprozess:
Klimawandel, Kulturerbe und urbane Gesundheit

Montag · 22. April 2024 · 19:00 Uhr (!) · N 1 (Muschel)
Vortragsaufzeichnung

Die Megastädte Asiens unterliegen tiefgreifenden Transformationsprozessen, die durch das Ineinandergreifen globaler Entwicklungen wie lokaler Gegebenheiten verstärkt werden. Drei recht unterschiedliche Herausforderungen werden anhand von Stadtbeispielen beleuchtet: die mehrdimensionalen Auswirkungen des Klimawandels, zentrale Fragen des Erhalts von urbanem Kulturerbe und zunehmende Probleme urbaner Gesundheit. Dabei wird deutlich, wie eng die Herausforderungen miteinander verbunden sind und wie über transformative Handlungsfelder co-benefits und Lösungswege erarbeitet werden können.

Frauke Kraas ist Professorin für Stadt- und Sozialgeographie am Institut für Geographie der Universität zu Köln. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der (Mega)Stadt-, Transformations-, urbanen Risiko- und Gesundheits- sowie Kulturerbeforschung. Regional konzentrieren sich die Forschungen auf Südostasien (Myanmar, Thailand, Vietnam, Indonesien) und Indien. Sie leitet das "ForUm – Forum for Urban Future in Southeast Asia".


Dr.-Ing. Björn Hekmati
Stadtforscher und Regionalberater, Leiter des Zentrums Baukultur Rheinland-Pfalz
Aktuelle Leitbilder und Trends europäischer Stadt­entwicklung aus Mainzer Perspektive
Montag · 29. April 2024 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)
Vortragsaufzeichnung

Die Entwicklung und Zukunft der Urbanität ist in ständiger Aushandlung begriffen. Derzeit stehen wir mit dem Klimawandel und diversen "Wenden" hinsichtlich Energie, Mobilität, Wohnen, Bauen und Wirtschaft, aber auch mit den Herausforderungen an unsere Demokratie vor großen Herausforderungen, die zügige Transformationen städtischer Räume und Infrastrukturen erfordern. Doch gerade unter dem gegebenen Handlungsdruck ist es erforderlich, auf breiter gesellschaftlicher Basis den Diskurs über wünschenswerte Zukunftsbilder von Städten zu führen. Erst unter einem demokratisch legitimierten Leitbild für die Stadt können Einzelmaßnahmen sinnvoll koordiniert werden und letztlich im Zusammenspiel ihre volle Wirkung entfalten. Hier lohnt der Blick über den Tellerrand – einige Städte im europäischen Ausland haben sich bereits auf diesen Weg gemacht und befinden sich in vielversprechenden Transformationsprozessen. Wie wir von solchen Beispielen in Mainz profitieren könnten, soll in Vortrag und Diskussion in den Blick genommen werden.

Dr.-Ing. Björn Hekmati (geb.1976) leitet das Zentrum Baukultur RLP in Mainz und lehrte Städtebau an verschiedenen Hochschulen der Region. Zuvor forschte und lehrte er an der Technischen Universität Darmstadt zu den Schwerpunktthemen Mobilität und nachhaltiger Siedlungs- und Stadtentwicklung. Freiberuflich berät er Städte und Gemeinden in Fragen von Stadtentwicklung und Leitbildprozessen. Zudem betreibt der bekennende Multilokalist mit Wohnsitzen in Mainz und in einem kleinen Weiler im Donnersbergkreis (Rheinland-Pfalz) die Longboard-Manufaktur OLSON&HEKMATI sowie eine klimaadaptive Landwirtschaft.


Prof. Dipl.-Ing. Christa Reicher
Stadtplanerin und Architektin, Inhaberin des Lehrstuhls für Städtebau und Entwerfen, Leiterin des Instituts für Städtebau und Europäische Urbanistik, RWTH Aachen University
Vom Ende der Innenstadt, wie wir sie kannten
Montag · 6. Mai 2024 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)

Über Jahrzehnte haben wir unsere Innenstädte monofunktional überformt und dem Einzelhandel Vorfahrt eingeräumt. Die Problematik der uniformen Ausrichtung vieler Stadtzentren ist schon seit Jahren ein Thema, weil der gesamte Wirtschaftsbereich "Einzelhandel" durch den rasant zunehmenden Online-Handel dramatische Umbrüche und Wandlungen erfahren hat. Die Corona-Pandemie hat als Beschleuniger gewirkt und zu regelrechten Kettenreaktionen von leerstehenden Handelsimmobilien geführt.
Der Wandel im Handeln, der zunehmende Leerstand von Kaufhäusern und die sinkende Nachfrage nach innenstadttypischen Flächen kündigen einen längst überfälligen Perspektivwechsel an. Die Krise hat nicht erst 2024 mit der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof, Deutschlands letzter großen Warenhauskette, zu Leerstand in großen Handelsbauten geführt. Durch veränderte Fußgängerströme sind Schneeballeffekte des Leerstandes befördert und die Innenstadt als urbane Mitte der Stadt in Frage gestellt worden. Dass die Innenstadt zu einem Problemfall geworden ist und als Patient*in eine Therapie erfordert, scheint unumstritten.
Mit der Zukunft der Innenstadt beschäftigen sich jede Menge Institutionen, Forschungsprojekte und Förderprogramme. Die Diagnosen kommen überwiegend zu der Erkenntnis, dass eine regelrechte "Neuerfindung" der Innenstadt längst überfällig ist. Dabei scheinen stadtindividuelle Konzepte immer wichtiger zu werden, die den Fokus auf die spezifischen Begabungen von innerstädtischen Quartieren richten und die ehemaligen Magneten des Handels als neue ökonomische und soziale Möglichkeitsräume betrachten.

Christa Reicher ist seit Oktober 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Städtebau und Entwerfen, Direktorin des Instituts für Städtebau und Europäische Urbanistik an der Fakultät für Architektur der RWTH Aachen University. Seit 2023 hat sie den UNESCO Chair "Cultural Heritage and Urbanism" inne. Zuvor, von 2002 bis 2018, war sie Professorin und Leiterin des Fachgebietes Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung an der Fakultät Raumplanung der Technischen Universität Dortmund. Sie ist Mitglied des IBA-Expertenrates des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie Co-Vorsitzende der Kommission Nachhaltiges Bauen (KNBau) des Umweltbundesamtes. 1993 gründete sie das Planungsbüro RHA REICHER HAASE ASSOZIIERTE mit Sitz in Aachen und Dortmund, das international tätig ist. 2022 ist sie vom Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V. (DAI) mit dem Großen Preis für Baukultur ausgezeichnet worden.


Dr. Elisabeth Oberzaucher
Dozentin, Department für Evolutionäre Anthropologie, Universität Wien · Wissenschaftliche Direktorin, Forschungs­institut Urban Human, Wien
Homo urbanus – zukunftsfitte Stadtplanung aus evolutionsbiologischer Sicht
Montag · 13. Mai 2024 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)

Urbanisierung ist eines der zentralen Mittel, um den Herausforderungen der Klimakrise zu begegnen. Deshalb ist es essentiell, die Lebensqualität in Städten zu steigern, um das urbane Leben gegenüber dem Speckgürtel(alb)traum aufzuwerten. Ein Blick in die Evolutionsgeschichte von Homo sapiens schafft die Wissensgrundlage zu allgemeinen Bedürfnissen der Menschen und zeigt Lösungen auf, wie Städte zu lebenswerten Orten werden. Stadtplanung mit Fokus auf die Menschen schafft Orte, an denen biologische, psychologische, soziale und ökonomische Bedürfnisse auf einen fruchtbaren Boden treffen. Die Übersetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in praktische Lösungen erfordert ein disziplinenübergreifendes Zusammenarbeiten und ein Beschreiten neuer Wege.

Elisabeth Oberzaucher studierte Zoologie an den Universitäten Wien und Würzburg. Sie promovierte in Anthropologie mit Spezialisierung auf das menschliche Verhalten. Forschungsschwerpunkte: Mensch-Umwelt-Interaktionen, nonverbale Kommunikation sowie evolutionäre Gender Studies. Die evolutionären Rahmenbedingungen, die zur Entwicklung von menschlich universalen, geschlechtstypischen sowie individuell unterschiedlichen Mustern in Wahrnehmung, Kognition und Verhalten geführt haben, stellen das Gerüst für ihre Forschungsaktivitäten dar. 2016–17 Professorin für Gleichstellung, Adaptivität und Vielfalt. Sie lehrt an der Universität Wien, der Technischen Universität Wien und der Universität für Angewandte Kunst in Wien, ist wissenschaftliche Direktorin des Forschungsinstitutes Urban Human, Präsidentin der International Society for Human Ethology und Mitglied der Science Busters. Seit 2019 Mitglied des Beirats der Seestadt Aspern. Ihr Buch "Homo urbanus, ein evolutionsbiologischer Blick in die Zukunft der Städte" wurde als Wissenschaftsbuch des Jahres 2018 nominiert. www.oberzaucher.eu


Prof. Dr.-Ing. Bernhard Friedrich
Leiter des Instituts für Verkehr und Stadtbauwesen, Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften, Technische Universität Braunschweig
Verkehr und öffentlicher Stadtraum –
Funktion vs. Aufenthalt

Montag · 27. Mai 2024 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)


Prof. Dr. Susanne Moebus
Biologin und Epidemiologin, Leiterin des Instituts für Urban Public Health, Universitätsklinikum Essen
Gesundheitsressource Stadt:
Lebendige und lebenswerte urbane Räume

Montag · 3. Juni 2024 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)


Prof. Dr.-Ing. Detlef Kurth
Inhaber des Lehrstuhls für Stadtplanung, Fachbereich Raum- und Umweltplanung, RPTU Kaiserslautern-Landau
Die Zukunft der resilienten Stadt
Montag · 10. Juni 2024 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)


Dr. Joerg Fingerhut
Principal Investigator, EU Horizon 2020 Project „Art and Research on Transformations of Individuals and Societies ARTIS“, Leiter der AG Neurourbanistik, Berlin School of Mind and Brain, Humboldt-Universität zu Berlin
Deine emotionale Stadt!
Auf dem Weg zu einer Philosophie der Neurourbanistik

Montag · 17. Juni 2024 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)


Prof. Dr. Anke Strüver
Professorin für Humangeographie, Institut für Geographie und Raumforschung, Leiterin des Regional Centre of Expertise – Zentrum für nachhaltige Gesellschaftstransformation, Univer­sität Graz
Smart Cities – Soziale Gerechtigkeit und Stadtentwicklung
Montag · 24. Juni 2024 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)


Prof. Dr. Mazda Adli
Chefarzt Fliedner Klinik Berlin, Leiter des Forschungsbereichs Affektive Erkrankungen und Leiter der Arbeitsgruppen „Affektive Störungen“ und „Neurourbanistik“, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Campus Mitte, Berlin
Stress and the City:
Ein Blick in die Welt der Neurourbanistik

Montag · 1. Juli 2024 · 18:15 Uhr · online (!)


Öffentliche Vorlesungsreihe:
Die Vorlesungsreihe "Stadt[t]räume. Entwicklung und Zukunft der Urbanität" ist öffentlich und richtet sich an alle Interessierten. Die Vorträge finden in der Regel als Präsenzveranstaltungen im Hörsaal N 1 in der "Muschel", Johann Joachim-Becher-Weg 23, statt.

Aufzeichnung:
Die Beiträge werden (vorbehaltlich der Zustimmung der Vortragenden) auch aufgezeichnet und sollen allen Interessierten auch nachträglich zugänglich sein. Einen Livestream gibt es bei den Präsenzveranstaltungen nicht. Die Links zu den Aufzeichnungen werden in der Regel einen Tag nach der Veranstaltung auf dieser Seite veröffentlicht.
Ausnahme: Die Veranstaltung am 01.07.2024 findet rein online statt. Dieser Vortrag wird live gestreamt und auch aufgezeichnet.

Einfahrt auf den Campus:
Für Gäste gibt es ein Freikontingent von 30 Stunden pro Jahr für die Einfahrt mit dem PKW auf den Campus. Anhand der Kennzeichenerkennung bei Ein- und Ausfahrt wird die Verweildauer auf dem Campus automatisch ermittelt und abgerechnet. Mehr erfahren

Bildnachweis:
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