Gastvortrag der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Mainz-Wiesbaden e.V.
Barbara Cöllen
(Polish Department, Deutsche Welle, Bonn)
Zwei Solidaritäten – "Polenhilfe" (1981–1983)
Montag, 29. Mai 2017, 18:15 Uhr, R 01-185, Fakultätssaal (Philosophicum)
"Polenhilfe" nannte man spektakuläre Hilfsaktionen von Hunderttausenden von Deutschen in der Bundesrepublik nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen im Dezember 1981. Heute ist dieser Begriff ein Sinnbild für Solidarität mit Menschen in Not, die nicht selten ihrer Freiheit und Rechte beraubt wurden.
Parallel zu der westdeutschen "Polenhilfe" gab es eine von der SED-Führung initiierte karitative Aktion, die für die Bürger der DDR einen obligatorischen Charakter hatte. Die "Hilfe für die VRP" und "Hilfe für die Kinder Volkspolens" sollten eine Art Gegengewicht zu den westdeutschen Hilfsaktionen schaffen. Unternehmen, Schulen, Organisationen und Kirchen in der DDR sammelten Spenden und Pakete. Die Stasi wurde zum Chronisten dieser Ereignisse. Eine Publikation mit neuesten Forschungsergebnissen zu der Stasi-Sammelleidenschaft erscheint 2017. Es wird sichtbar, dass viele DDR-Bürger sich der staatlichen Aktion entzogen und selbst aktiv wurden. Sie strebten aus christlicher Nächstenliebe und Solidarität die Individualisierung der Polenhilfe an und hatten ihre Nachhaltigkeit im Sinn – ein besonders mutiges Vorgehen in einer Zivilgesellschaft im status nascendi.
Die zweisprachige, deutsch-polnische Publikation "Polenhilfe. Als Schmuggler für Polen unterwegs", (erschienen 2012 unter der Schirmherrschaft von Lech Wałęsa und Norbert Blüm, aktualisierte Neuauflage 2017), zeigt die Beweggründe für die humanitären Aktionen der deutschen Akteure und veranschaulicht, wie Zivilgesellschaft von unten die Versöhnung zwischen den verfeindeten Völkern vorantreiben kann. Sie zeigt, wie durch positives Handeln, das von der Solidarität, einem christlichen Menschenbild, Empathie, Einsatz für die Menschenrechte und Freiheit geprägt ist, gesellschaftliche und politische Veränderungen im eigenen Land und sogar auf dem Kontinent herbeigeführt werden konnten. Dank der "Polenhilfe" wurde ein festes Fundament zwischenmenschlicher Beziehungen zwischen Deutschen und Polen aufgebaut, das sich nach 1989 von vorübergehenden politischen Irritationen nicht erschüttern lässt.
Der Grundgedanke des Themas "Polenhilfe" hat nicht an Aktualität verloren. Auch heute können wir uns nur durch aktives gesellschaftliches Handeln gegen Gewalt und Nationalismus, für Solidarität und Menschenrechte einsetzen und somit die Welt nach unseren Vorstellungen zu gestalten versuchen.
Barbara Cöllen, geb. 1952 in Polen, ist Germanistin (Universität Warschau), lebt seit 1984 in Deutschland. Sie ist Journalistin, Autorin, Herausgeberin, Moderatorin (div. Radiosender, TV, Zeitungen) und schreibt auf Deutsch und Polnisch.
Schwerpunkte: EU, deutsch-polnische Beziehungen, Übersetzerin, Lehrerin, 1. Vorsitzende des Verbandes "Polnische Journalisten in Deutschland e.V."