Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung
DAS KÜNSTLERDRAMA ALS SPIEGEL ÄSTHETISCHER UND GESELLSCHAFTLICHER TENDENZEN
zu folgendem Vortrag ein:
Dr. Charlotte Krauß (Strasbourg)
Der Künstler im französischen Drama der Romantik
Mittwoch, 14. November 2007, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)
Für die Autoren der Romantik wird die Figur des Künstlers zum zentralen Symbol ihrer eigenen unverstandenen Existenz. Deutlich weniger als im deutschsprachigen Raum gilt dies in Frankreich auch für die Bühne. Insofern kann man nur wenige drames romantiques explizit als "Künstlerdramen" bezeichnen – ein Konzept, das in der französischen Literaturwissenschaft im Übrigen unbekannt ist.
Mit Chatterton von Alfred de Vigny (1835) und Kean ou désordre et génie von Alexandre Dumas père (1836) sollen zunächst zwei als Künstlerdramen zu bezeichnende Stücke betrachtet werden. Während Vigny den Fokus auf individuelle Konflikte der empfindsamen Künstlerseele richtet und das Scheitern eines genialen Schriftstellers zum Inhalt seines Dramas macht, zeigt die Komödie von Dumas, wie eine zum Teil korrupte Klassengesellschaft den Schauspieler Kean trotz seiner Begabung als Außenseiter ablehnt. Obwohl er der bessere Mensch ist, bleibt Kean am Ende nur noch die Lösung, nach Amerika auszuwandern.
Zwischen den zumeist historische Stoffe aufgreifenden französischen romantischen Dramen mögen diese Stücke auf den ersten Blick als Ausnahme erscheinen. Dass dem Künstler jedoch auch im drame romantique eine zentrale Bedeutung zukommt, lässt sich an zwei weiteren Texten zeigen: In Alfred de Mussets Lesestück Lorenzaccio (1834) tritt augenscheinlich nur die traditionelle, vom Herzog abhängige Künstlerfigur Tebaldeo auf. Der tragische Titelheld wird aber auch selbst zum Künstler, wenn er den Mord am Herzog bis ins Detail hinein inszeniert. In Victor Hugos Ruy Blas (1838) schließlich verkörpert der Verse schreibende Don César, der trotz adeliger Abstammung als Bettler lebt, die für Hugo ideale Mischung aus Groteske und Sublime. Als deus ex machina durchkreuzt die Figur die Hofintrigen, und die absurd komischen Szenen des ihr zugeordneten vierten Aktes dienen der von Hugo angestrebten Auflösung von Gattungsgrenzen.
Dr. Charlotte Krauß, Jg. 1976, Studium der Romanistik (Französisch/Portugiesisch), Politikwissenschaft, Deutsch als Fremdsprache in Mainz und Lyon. 2001–2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin für französische Literatur an der Johannes Gutenberg-Universität. Seit September 2006 DAAD-Lektorin für Deutsch/deutsche Literatur an der Université Marc Bloch in Straßburg (Frankreich).
Forschungsschwerpunkte/Publikationen: Promotion 2006 zur Darstellung Russlands und der Russen in der französischen Fiktion des 19. Jahrhunderts. (La Russie et les Russes dans la fiction française du XIXe siècle. 1812–1917. D’une image de l’autre à un univers imaginaire, Amsterdam/New York, Rodopi, 2007.)
Edition eines deutschsprachigen Manuskriptkonvoluts der jüngsten Tochter Alexander Puškins, Natalja Alexandrovna, Gräfin von Merenberg (Myra. Erzählung, Bad Emser Hefte 271.1/2, 2006; Vera Petróvna. Roman, Wiesbaden, Reiss, 2007). Weiterhin Forschung/mehrere Artikel zur französischen Literatur (Roman und Theater) vom 18. bis 20. Jahrhundert, sowie französisch-deutsch-russische Kulturkontakte dieser Zeit.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Dr. Christine Mundt-Espín (Trier)
Valère Novarina "Pour Louis de Funès" (1986) – L’Acteur Nul et Parfait
Mittwoch, 21. November 2007, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)