Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung WENDEZEITEN UND EPOCHENUMBRÜCHE: DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT HISTORISCHEN ZÄSUREN IM DRAMA zu folgendem Vortrag ein:
Dr. Christoph Deupmann (Institut für Literaturwissenschaft, Karlsruher Institut für Technologie (KIT))
1977 – die RAF in Literatur und Film
Montag, 8. Februar 2010, 18.15 Uhr, P 4 (Philosophicum)
'1977' stellt nach '1968' und vor '1989' das am meisten semantisch und emotional aufgeladene 'Geschichtszeichen' in der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte dar. Einerseits steht es für das Scheitern eines aus der linken Protestbewegung von 1968 hervorgegangenen Linksterrorismus, andererseits aber für die Identifikation der gesellschaftlichen Mehrheit mit der politisch-gesellschaftlichen Ordnung, für die dann 1989 (bzw. 1990) zum positiven, Identität stiftenden Gründungs-Datum der 'neuen' Bundesrepublik wurde. Nach Mauerfall und Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten aber wurde der Terrorismus gewissermaßen 'historisch': Damit eröffnete sich auch ein von politischer Aktualität entlasteter Zugang zu der im Zeichen '1977' zusammengedrängten Erinnerung, der eine regelrechte Konjunktur ästhetischer ‚Verdichtungen’ ausgelöst hat. Der Vortrag präsentiert und interpretiert in diesem Zusammenhang einschlägige Filme wie Christopher Roths Baader (2002) und Uli Edels Baader-Meinhof-Komplex (2008), Romane wie Leander Scholz' Rosenfest (2001) und Erin Cosgroves Pop-Roman The Baader-Meinhof-Affair sowie Elfriede Jelineks Theaterstück Ulrike Maria Stuart. Königinnendrama (2006).
Christoph Deupmann, Dr. phil., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Literaturwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und vertritt z. Zt. eine Juniorprofessur an der Universität Kiel. Zu seinen Schwerpunkten gehören Arbeiten zum Verhältnis zwischen Literatur, Geschichte und Medien und zur Beziehung von Literatur und Gewalt. Zuletzt abgeschlossen wurde die Monografie "Ereignisgeschichten. Zeitgeschichte in literarischen Texten von '1968' bis '9/11'" (Habilitationsschrift).
Auswahlbibliographie: ‚Furor satiricus’. Verhandlungen über literarische Aggression im 17. und 18. Jh. (Tübingen 2002). – Hg.: Paradoxien der Wiederholung (Heidelberg 2003, zusammen mit Robert André). – Hg.: Theodor Storms Novellen. (Stuttgart 2008; Reihe Interpretationen, RUB 17534). – (Hg.): Die Wut des Zeitalters ist tief. Die 'Merowinger' und die Kunst des Grotesken bei Heimito von Doderer (Würzburg, im Erscheinen, zusammen mit Kai Luehrs-Kaiser). – Aufsätze zur Literatur vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, darunter: "Es gibt keine Spur mehr jenseits der Speicher". Zur Paradoxie von Sehen und Erzählen in Thomas Hettches Roman 'Nox'. In: Paradoxien der Wiederholung. Hg. von Robert André und Christoph Deupmann (Heidelberg 2003), S. 193–214. – Die Unmöglichkeit des Dritten. Peter Handke, die Jugoslawienkriege und die Rolle der deutschsprachigen Schriftsteller. In: Zeithistorische Forschungen 5 (2008), H. 1, S. 87–109 (auch online unter der URL: http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Deupmann-1-2008). – Versuchte Nähe. Vom Ereignis des 11. September zum Ereignis des Textes. In: 9/11 als kulturelle Zäsur. Hg. von Sandra Poppe, Thorsten Schüller und Sascha Seiler (Bielefeld 2009), S. 139–162.