Dr. Felix Schürmann – Vortragsexposé – Wintersemester 2012/2013

THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE

MODELL UND WIRKLICHKEIT IN DER WISSENSCHAFT



Dr. Felix Schürmann

(The Blue Brain Project, École Polytechnique Fédérale de Lausanne)

Das Blue Brain Projekt – Vereinheitlichende Modelle als strategisches Hilfsmittel in der Hirnforschung

Dienstag, 22. Januar 2013, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)

Seit nunmehr etwas mehr als hundert Jahren sammelt die moderne Hirnforschung systematisch und quantitativ Daten. Dank neuartiger Technologien und zunehmender Miniaturisierung beschleunigt sich dieser Prozess fortwährend – wir wissen so viel wie nie zuvor über das Gehirn und dessen biophysikalische Prozesse. Und dennoch stehen wir vor einer enormen Herausforderung: wir haben nach wie vor kein vereinheitlichendes Verständnis des Gehirns. Sicherlich liegt dies zum einen daran, dass das Gehirn eines der komplexesten uns bekannten Systeme ist. Nicht nur besitzt das menschliche Gehirn etwa 100 Milliarden Nervenzellen und bis zu 10000 Mal mehr Synapsen, sondern auch die biophysikalischen Prozesse für Funktion und Plastizität überspannen viele Größenordnungen an Zeit- und Längenskalen. Zum anderen liegt es aber auch daran, dass bestimmte Datensätze auf absehbare Zeit wohl unerreichbar sind und das Wissen über verschiedene wissenschaftliche Disziplinen fragmentiert ist. Das Blue Brain Projekt arbeitet deshalb seit mehreren Jahren daran, vereinheitlichende Computermodelle des Gehirns als neuartige Integrationsstrategie zu etablieren. Dazu hat das Projekt eine supercomputer-gestützte Softwareplattform entwickelt, die es erlaubt, multi-modale und multi-skalare Datensätze in detaillierte Modelle zu integrieren, Lücken in den Daten zu identifizieren und zu füllen und simulationsbasierte Forschung als neues Hilfsmittel in der Hirnforschung zu etablieren. Der Vortrag beschreibt diese Vorgehensweise und Ergebnisse am Beispiel eines vereinheitlichenden Modells eines Stückes Großhirnrinde einer Ratte.

Felix Schürmann (geb. 1977) ist Projektleiter des Blue Brain Projekts an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL), Schweiz. Er hat Physik an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und an der State University of New York at Buffalo studiert (M.S., 2000) und in Heidelberg am Kirchhoff Institut für Physik unter der Leitung von Prof. Karlheinz Meier promoviert (Dr. rer. nat., 2005). Während seines Studiums war er Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und erhielt ein Fulbright Stipendium. An dem Blue Brain Projekt arbeitet er seit dessen Gründung 2005 von Prof. Henry Markram. Seine Forschungsschwerpunkte sind neuartige Computingstrategien und simulations-basierte Forschung mit Hilfe von Supercomputern.

Abschließender Vortrag dieser Reihe:

Prof. Dr. Helmut Pulte (Institut für Philosophie I, Ruhr-Universität Bochum)

Gedankenexperiment, Metapher, Modell:

Analogisches Denken in Philosophie und Wissenschaft


Dienstag, 5. Februar 2013, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)