Dr. habil. Susanne Marschall, Akad. Rätin – Vortragsexposé – Wintersemester 2007/2008

Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung
DAS KÜNSTLERDRAMA ALS SPIEGEL ÄSTHETISCHER UND GESELLSCHAFTLICHER TENDENZEN
zu folgendem Vortrag ein:

Dr. habil. Susanne Marschall, Akad. Rätin
(Institut für Filmwissenschaft, Universität Mainz)

Spiegel-Blicke: Selbstbegegnungen im Künstlerfilm

Mittwoch, 6. Februar 2008, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)

Die Fixierung auf das eigene Abbild wurde im Kontext des Mythos des Narziss als Selbstverliebtheit moralisch kritisiert, bildet aber auch die Basis der künstlerischen Kreativität. Die Kunsthistorikerin Christiane Kruse untersucht in ihrer Studie Wozu Menschen malen. Historische Begründungen eines Bildmediums eine besondere Lesart des Narziss-Mythos, die im 15. Jahrhundert durch den italienischen Kunstphilosophen Leon Battista Alberti begründet wurde: Narziss – so Alberti – sei der Erfinder der Malerei gewesen. Kruse stellt dar, dass der Jüngling Narziss in Ovids Metamorphosen zunächst glaubt, einen Anderen zu lieben, dann aber in einem langsam einsetzenden Prozess der Erkenntnis das Spiegel-Bild als medial vermitteltes Abbild begreift: "Was die Illusion angeht, mündet sie jetzt in die Erkenntnis: Das da bin ich. Die Medienerkenntnis geht folglich der Selbsterkenntnis voraus." Dieser Bewusstwerdungsprozess der Bildlichkeit des Spiegelbildes wird zur Conditio sine qua non der Malerei, die das flüchtige Bild in ein Bild der Dauer übersetzt, das die Vergänglichkeit – den Tod –, den Narziss in seinem Spiegel-Bild erkennt, überwindet. Bereits im 16. Jahrhundert wurde der Spiegel zu einem der wichtigsten Handwerkszeuge der Malerei, vor allem als Hilfsmittel des Selbstporträts, aber auch als Instrument komplexer Blickinszenierungen und Raumkompositionen. Auch im Kino stellt der Spiegel ein herausragendes Raumelement mit breitem Bedeutungsspektrum dar.
Der Vortrag Spiegel-Blicke: Selbstbegegnungen im Künstlerfilm studiert das zentrale Motiv des Spiegels anhand herausragender Filmbeispiele, die sich mit der Frage der künstlerischen Kreativität anhand historisch verbürgter, aber auch fiktiver Künstlergeschichten befassen.

Dr. habil. Susanne Marschall (* 1963), Akademische Rätin am Institut für Filmwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Seit 1995 wissenschaftliche Mitarbeiterin, dann Hochschulassistentin am Institut für Filmwissenschaft. Konzeption und Realisation des Medienhauses der Universität. Sprecherin des IAK Medienwissenschaften sowie des Schwerpunkts Bild im Interdisziplinären Forschungszentrum Neurowissenschaften. Mitbegründerin von Campus-TV. Projektleitung der Initiative Medienintelligenz sowie der Film- und Medien-Nachwuchsförderung der Universität. Gutachterin beim DAAD. 2003: Lehrpreis. 2005: Habilitation mit dem Thema Farbe im Kino. Zahlreiche weitere Publikationen.

Abschlussvortrag dieser Reihe:
Thorsten Hindrichs, M. A. (Musikwissenschaftliches Institut, Universität Mainz)
Das Künstlerleben der Bohème bei Puccini, Leoncavallo und Kaurismäki
Mittwoch, 13. Februar 2008, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)