Das Institut für Kunstgeschichte und das Studium generale laden zu folgendem Vortrag ein:
Dr. Juliane von Fircks (Mainz)
»Misgewande van siden, golde undt sus thogerichtet…«
Liturgische Textilien des 14.-16. Jahrhunderts aus St. Nikolai zu Stralsund
Mittwoch, 9. Mai 2007, 18.15 Uhr
Hörsaal des Instituts für Kunstgeschichte (Binger Straße 26)
Die Erforschung historischer Textilien stellt bis in die jüngste Zeit hinein ein Randgebiet der Kunstgeschichte dar. Den nur in kleiner Zahl erhaltenen historischen Kleidern und ihren zahlreicheren Spiegelungen im Medium der Tafel- und Buchmalerei wird häufig lediglich der Status realienkundlich interessanter Objekte zuerkannt, die durch ihren zeitspezifischen Charakter nützliche Datierungshilfen abgeben. Erst seit Kirchenausstattungen in den letzten Jahrzehnten verstärkt unter funktionsgeschichtlichen Fragestellungen und vor dem Hintergrund liturgischer Abläufe untersucht wurden, traten die Messgewänder, die ebenso wie Kelchtücher, Decken und Antependien zur Ausstattung des Altars gehören, stärker in den Blickpunkt der Forschung.
Unter den historisch gewachsenen Paramentenbeständen in Deutschland ist derjenige im Stralsunder Kulturhistorischen Museum einer der bedeutendsten. Die insgesamt vierzehn erhaltenen Gewänder stammen überwiegend aus St. Nikolai, der Hauptpfarrkirche der Hansestadt, die heute noch über eine der reichsten Ausstattungen im südlichen Ostseeraum verfügt. Die jüngst im Rahmen eines DFG-Projektes erfolgte kunsthistorische und technologische Bestandsaufnahme des Stralsunder Paramentenschatzes schafft durch eine umfassende Autopsie der Einzelobjekte die Voraussetzung für die Rekontextualisierung der textilen Objekte im Rahmen ortsspezifischer religiöser Festtagskultur und Stiftungspraxis. Die auf Prachtentfaltung angelegten Stücke sind nicht zuletzt das Produkt einer ausgedehnten Handelstätigkeit. Die in den Manufakturen Italiens, des Nahen und Fernen Ostens gewebten Seidenstoffe gelangten als kost¬bare Importware vermutlich auf dem Seeweg nach Stralsund und wurden erst dort zu Ausstattungsstücken des kirchlichen Raumes verarbeitet.
Über die ikonographische und stilkritische Einordnung der Gewebe und Stickereien hinaus erbrachten die detaillierten Untersuchungen des Zuschnitts und der Verarbeitung der Textilien wertvolle Erkenntnisse über Werkstattzusammenhänge und Arbeitsorganisation der Paramentenschneider. Die Gewänder legen Zeugnis ab vom hohem gestalterischen Anspruch und dem schöpferischen Umgang der Handwerker mit Materialien, auf deren Verfügbarkeit und technische Gegebenheiten sie selbst kaum Einfluss hatten.
Juliane von Fircks: Studium in Greifswald, Poitiers und Berlin (FU). Promotion zu Marienbildern des 13. Jahrhunderts im Ostseeraum. 2000-2003 Wissenschaftliches Volontariat im Museum Wiesbaden. 2003-2006 DFG-Forschungsprojekt zu den mittelalterlichen Paramenten der Hansestadt Stralsund.
Seit November 2006 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut der Universität Mainz.