Das Institut für Kunstgeschichte, AB Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte, und das Studium generale laden zu folgendem Vortrag ein:
Dr. Philipp Niewöhner (Oxford)
Der Wallfahrtsort des Erzengels Michael in Germia (Galatien)
Mittwoch, 16. Januar 2013, 18:15 Uhr
Hörsaal des Instituts für Kunstgeschichte, Binger Straße 26, 55122 Mainz
Germia war Metropolis, autokephales Erzbistum sowie Wallfahrtsort des Erzengels Michael, und eine Kirchenruine ist bis heute erhalten. Von 2009 bis 2011 hat nun eine multidisziplinäre archäologische Untersuchung der gesamten Siedlung sowie ihres Umlandes stattgefunden, inklusive architekturgeschichtlichen Bauuntersuchungen, epigraphischen, numismatischen und Keramik-Surveys, geophysikalischen Prospektionen, archäometrischen Marmorprovenienzanalysen und balneologischen Thermalwasseruntersuchungen. Anhand der Ergebnisse lässt sich jetzt zeigen, wieso es keine römischen Wurzeln gibt, wie und warum der Wallfahrtsort entstand, dass die Kirche drei Bauphasen hatte und bis in mittelbyzantinische Zeit immer weiter ausgebaut und vergrößert wurde, es weitere Sonderbauten gab, wie diese aussahen und wie das örtliche Steinmetzwesen funktionierte, warum nur wenig Wohnfläche vorhanden war, und in welchem Verhältnis Germia zu den Nachbarstädten Goeleon und Eudoxias stand. Letzteres wirft ein aufschlussreiches Schlaglicht darauf, was unter einer byzantinischen Stadt zu verstehen ist. Außerdem wird die bislang umstrittene Lokalisierung von Eudoxias überraschend geklärt, dabei auch die mysteriöse phrygische Stadt Mantalos verortet und die regionale Siedlungsgeschichte seit der Bronzezeit erschlossen.
Dr. Philipp Niewöhner hat in Heidelberg, Thessaloniki und Mainz byzantinische Archäologie, Byzantinistik und Kunstgeschichte studiert und 2001 zunächst eine Magisterarbeit über lykische Reliquienkapellen geschrieben. Es folgten ein Survey von Aizanoi in Phrygien und 2004 eine daraus resultierende Doktorarbeit über das regionale Steinmetzwesen und anatolische Siedlungsgeschichte. Im Anschluß hat Niewöhner in Freiburg und Heidelberg unterrichtet und 2006 mit Ausgrabungen in Milet begonnen (Gerda Henkel-Stiftung). Von 2006 bis 2011 war er dann Referent für byzantinische Archäologie am Deutschen Archäologischen Institut in Istanbul und hat neben fortgesetzten Grabungen in Milet auch einen dreijährigen Survey in Germia durchgeführt (Deutsche Forschungsgemeinschaft) sowie in Göttingen unterrichtet. Seit 2011 ist Niewöhner Lecturer in Byzantine Archaeology und William Golding Fellow am Brasenose College in Oxford und führt außerdem im Auftrag des Deutschen Archäologischen Instituts die Feldarbeit in Milet fort.
Auswahlliteratur: M. Waelkens, "Germa, Germokoloneia et Germia", Byzantion 49, 1979, 447–464; C. Mango, "The Pilgrimage Centre of St Michael in Germia", Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 36, 1986, 117–132; K. Belke, "Germia und Eudoxias", in W. Hörandner et al. (Hrsg.), Byzantios (Wien 1984) 1–11; P. Niewöhner – K. Rheidt, "Die Michaelskirche in Germia (Galatien, Türkei)", Archäologischer Anzeiger 2010, 137–160; P. Niewöhner, "Germia and Vicinity", Arastirma Sonuclari Toplantisi 28, 2010, I 47–66.