Veranstaltung des Instituts für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft IKM – Abteilung Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte
Dr. Sabine Feist (Halle)
Neues zu den Dunklen Jahrhunderten
Mittwoch, 28. November 2018, 18:15 Uhr, Hs 02-521, Georg-Forster-Gebäude, J.-Welder-Weg 12
Die sogenannten Dunklen Jahrhunderte, die die Übergangszeit zwischen Spätantike und Mittelalter bezeichnen, gelten als äußerst dorniges Terrain der byzantinischen Architekturgeschichte. So überrascht es nicht, dass diese Epoche in den gängigen Handbüchern auf nur wenigen Seiten und als bloße Vorstufe mittel- und spätbyzantinischer Entwicklungen abgetan wird. Eine neue Perspektive, die nicht nur Nachfolgendes, sondern auch Spätantikes in den Blick nimmt, lässt die Kirchenarchitektur der Dunklen Jahrhunderte aber in ganz anderem Licht erscheinen. Grund dafür ist, dass während der zur Diskussion stehenden Epoche nur verhältnismäßig wenige Kirchen ex novo errichtet wurden und man sich stattdessen darauf beschränkte, ältere Gotteshäuser umzubauen oder an derselben Stelle zu erneuern. Bei ebenjenen Um- und Neubauten entschied man sich aber keineswegs für eine schlichte Instandsetzung der altbewährten Longitudinalarchitektur, sondern überwölbte die einstigen Basiliken stattdessen mit großen Kuppeln. Der Vortrag wird anhand einzelner Schlüsselmonumente dieser Zeit zeigen, dass die Vorgängerbebauung in den Um- und Neubauten allerdings keinesfalls vollständig verloren ging. Vielmehr hatten sich einige Charakteristika im Laufe der Zeit bereits als so paradigmatisch für den christlichen Sakralbau etablieren können, dass sie trotz der baulichen Veränderungen entweder erhalten blieben, in einen neuen Kontext transferiert oder erneuert wurden.
Dr. Sabine Feist ist seit 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Orientalische Archäologie und Kunstgeschichte der MLU Halle-Wittenberg. Zuvor hat sie in Freiburg, Basel, Athen und Göttingen studiert und wurde 2016 mit einer Arbeit über die Byzantinische Sakralarchitektur der Dunklen Jahrhunderte an der LMU München promoviert. Ihre Promotion wurde durch verschiedene Stipendien unterstützt (u. a. Reisestipendium der LMU München und Junior Fellowship am RCAC der Koç University in Istanbul). Neben der spätantiken und byzantinischen Sakralarchitektur sind weitere Forschungsschwerpunkte unter anderem liminale Räume in Spätantike und Byzanz, spätantike Skulptur sowie die Inszenierung von Heiligkeit in Spätantike und Byzanz.
Literatur: F. A. Bauer – H. A. Klein, The Church of Hagia Sophia in Bizye (Vize), DOP 60, 2006, 249–270; H. Buchwald, Retrofit – Hallmark of Byzantine Architecture?, in: H. Buchwald (Hrsg.), Form, Style and Meaning in Byzantine Church Architecture (Aldershot 1999) 1–22; S. Feist, Some Remarks on the Architecture of the Hagia Sophia, Thessaloniki, in: A. Dunn (Hrsg.), Byzantine Greece: Microcosm of Empire? (im Druck); E. A. Ivison, Kirche und religiöses Leben im byzantinischen Amorium, in: F. Daim u. a. (Hrsg.), Byzanz – das Römerreich im Mittelalter, Bd. 2 (1): Schauplätze (Mainz 2011) 309–343; S. Karwiese, Die Marienkirche und das dritte ökumenische Konzil, in: R. Pillinger u. a. (Hrsg.), Efeso paleocristiana e bizantina (Wien 1999) 81–85; G. Kaymak, Die Cumanın Camii in Antalya (Antalya 2009); U. Peschlow, Die Architektur der Nikolaoskirche in Myra, in: J. Borchhardt (Hrsg.), Myra. Eine lykische Metropole in antiker und byzantinischer Zeit (Berlin 1975) 303–359; U. Peschlow, Die Irenenkirche in Istanbul. Untersuchungen zur Architektur (Tübingen 1977).