Dr. Tomasz Torbus – Vortragsexposé – Sommersemester 2008

Das Institut für Kunstgeschichte und das Studium generale laden zu folgendem Vortrag ein:

Dr. Tomasz Torbus
Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, Leipzig

Das Königsschloss auf dem Wawel in Krakau. Neue Erkenntnisse zur Bau- und Funktionsgeschichte

Mittwoch, 28. Mai 2008, 18.15 Uhr
Hörsaal des Instituts für Kunstgeschichte (Binger Straße 26)

Der grundlegende neuzeitliche Umbau des Wawel-Schlosses in Krakau fand während der Regierungszeiten zweier Jagiellonen-Könige statt: Alexanders I. (1501-1506) und vor allem Sigismunds I. des Alten – 1506-1548. Das Wawel-Königsschloss ist hinsichtlich seiner Formen, Monumentalität und letztlich auch aufgrund des Erhaltungszustandes der Profanbau der ersten Hälfte des 16. Jh. in Mitteleuropa schlechthin. Der Vortrag geht auf die vor dem Abschluß stehende Habilitationsschrift von Tomasz Torbus zurück, in der er den Wawel – aber auch weitere jagiellonische Königssitze – hinsichtlich ihrer Baugeschichte, Formengenese, Raumprogramme und ideologischer Aussage (zum Teil vollkommen neu) interpretiert.
1499 brannte das gotische Königsschloss auf dem Krakauer Wawelhügel teilweise ab. Daraufhin wurde die Residenz zwischen 1504 und 1536 in weitgehend neuer Form wieder hergestellt. Die ältesten Teile des Wawels sind die noch unter König Alexander I. 1504 begonnenen West- und Nordflügel. Möglicherweise war der Architekt ein gewisser Eberhard von Koblenz. Den unfertigen Bau übernahm 1506 König Sigismund I. und ließ ihn nach neuen Plänen seines Baumeisters Franciscus Italus bis 1516 ausbauen. Es folgten die ersten Loggien und ab 1520 der Bau des größten Flügels im Osten, ein Werk Meister Benedikts und Bartholomeo Berreccis. Der letztere schuf 1534 auch das Eingangstor und bis 1536 die südliche Blendmauer mit den vorgesetzten Arkaden.
Nach Tomasz Torbus entstand die Idee einer Vierflügelanlage mit Loggien um 1510, als die politische Rivalität zwischen den Jagiellonen und den Habsburgern um die Vorherrschaft in Ostmitteleuropa kulminierte. Daher ist für ihn der Bau stark im Sinne der politischen Ikonographie zu deuten – als ein herrschaftliches Machtsymbol und Prestigeobjekt. Mit seiner Hilfe sollte einerseits dem Konstrukt einer ehrwürdigen, antiken Abstammung der jagiellonischen Dynastie in der dritten Generation und andererseits weitreichenden, geradezu imperialen politischen Zielsetzungen auf zeichenhafte Weise Ausdruck verschafft werden.

Tomasz Torbus studierte Kunstgeschichte in Warschau und Hamburg. Promotion 1997 in Hamburg mit einer Arbeit über “Die Konventshäuser und Groβgebietigersitze des Deutschen Ordens im Deutschordensland Preuβen”. Er arbeitete am Herder-Institut Marburg in dem Vorprojekt zur Erstellung des DEHIO-Handbuches der Kulturdenkmäler Schlesiens, am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Ostmitteleuropa (GWZO) in Leipzig in dem Projekt "Bedeutung der Jagiellonen für die Kunst und Kultur“ (ca. 1450-1550) und ist seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am GWZO in dem Projekt „Hofkultur in Ostmitteleuropa vom 14.-18. Jahrhundert. Kulturelle Kommunikation und Repräsentation im Vergleich“. Die Forschungsthemen von Tomasz Torbus liegen im Bereich der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Architekturgeschichte. Seine besonderen Interessen gelten u.a. der Historiographie des ostmitteleuropäischen Raums und der Theorie und Praxis des Wiederaufbaus im Europa nach 1945.