Einzelvortrag – Sommersemestere 2008

Vortrag im Rahmen des Studium generale

Dr. Csaba Olay (Budapest)

Hannah Arendts existenzialistische Politikauffassung

Dienstag, 1. Juli 2008, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Der Vortrag interpretiert die politische Philosophie von Hannah Arendt unter dem Gesichtspunkt, dass sie sich maßgeblich auf ein Konzept des Lebens, des menschlichen Existierens stützt. Es handelt sich dabei nicht nur um den für jede politische Theorie gültigen Zusammenhang, dass dabei eine Erörterung des Wesens und der Eigenschaften des Menschen zugrunde gelegt werden muss, da allein daraus die spezifische Aufgabenstellung der Politik und die dafür in Frage kommenden Mittel abgeleitet werden können. Jede politische Philosophie setzt in diesem Sinne eine Konzeption der menschlichen Natur, ihrer Bedürfnisse und Neigungen voraus, die beeinflusst, welche Formen und Prinzipien auf diesem Gebiet für möglich und wünschenswert gehalten werden. In Arendts Denken jedoch hängen das menschliche Existieren und die Politik enger zusammen, indem der Sinn der Politik für sie mit Grundtendenzen der menschlichen Existenz in Verbindung steht. Das individuelle menschliche Sein stößt unvermeidlich auf die Aufgabe, sich selbst zu begreifen, und das ist nur unter öffentlichen Verhältnissen, somit für Arendt nur unter politischen Verhältnissen möglich. Im Vortrag wird versucht zu klären, wie das Denken über Politik bei Arendt grundsätzlich von einer Lebenskonzeption bestimmt wird, die auch die politischen Analysen leitet. In ihrem Bestreben, den Sinn des politischen Handelns auszuarbeiten und wiederzugewinnen, sucht Arendt in erster Linie nicht die Aufgaben der Politik zu umgrenzen und von anderen Gebieten zu unterscheiden, sondern vielmehr eine Antwort auf die Frage, wie sich öffentliches Handeln in das menschliche Leben fügt, was für einen Stellenwert es darin haben kann.

Csaba Olay, geb. 1970, studierte Mathematik, Physik und später Philosophie an der Eötvös Loránd Universität Budapest. 1995–1997 Sekretär der Ungarischen Wittgenstein-Gesellschaft. 1996 Diplom im Fach Philosophie mit der deutschsprachigen Diplomarbeit "Wittgenstein und Gadamer". Ab 1997 dreijähriges Promotionsstipendium des DAAD an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Promotion 2006 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit der Doktorarbeit "Hans-Georg Gadamer – Phänomenologie der ungegenständlichen Zusammenhänge". 2000–2001 Lehrbeauftragter im philosophischen Seminar an der Pázmány Péter Katholischen Universität in Ungarn. Ab 2001 Assistent, seit 2006 Oberassistent am philosophischen Seminar der Eötvös-Universität Budapest am Lehrstuhl für neuzeitliche und zeitgenössische Philosophie.

Forschungsschwerpunkte: Philosophie im 20. Jahrhundert, insbesondere Heidegger, Hannah Arendt, Gadamer, philosophische Hermeneutik, Interpretationstheorie, Lebensphilosophie, Theorie der Geisteswissenschaften, (nicht analytische) Sprachphilosophie.
Jüngste Veröffentlichungen: Hans-Georg Gadamer: Phänomenologie der ungegenständlichen Zusammenhänge. Königshausen & Neumann, Würzburg 2007. – Hannah Arendt politikai egzisztencializmusa. [Der politische Existentialismus von Hannah Arendt]. L’Harmattan, Budapest 2008.