Themenschwerpunkt "Europa – Ideen und Identitäten" – Konzept – Wintersemester 2022/2023

Was macht Europa eigentlich aus? Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg wird über diese Frage diskutiert. Die Ausformulierung einer „kollektiven“ Identität oder die Benennung von kulturellen Besonderheiten, die zu einer Bestimmung des spezifischen Charakters dienen könnte, kommt in unterschiedlicher Weise vor: als Bezug auf eine angebliche oder tatsächliche historische Tradition, aber auch als Ergebnis der Akzeptanz einer Werteordnung und damit letztlich als Entscheidung, auf eine bestimmte Art leben zu wollen. Sowohl der – historisch zu prüfende – Rekurs auf etwa die griechisch-römische Antike und das Christentum als auch auf eine Menge normativer Ideale wie der Menschenrechte und Vorstellungen von demokratischer Pluralität garantieren jedoch noch nicht, dass sich ein wirkliches Gemeinschaftsgefühl herausbildet. Inwiefern identifizieren wir uns selbst als europäisch in einem mehr als geographischen Sinne? Ob ein solcher Bezug für das Funktionieren einer Gemeinschaft im ‚Projekt Europa‘ notwendig ist, bleibt gleichfalls umstritten. Wird eine eigenständige europäische Identität vielleicht gerade im 21. Jahrhundert durch globale Krisen, Kriege und Konflikte sichtbar und gestärkt?
Noch einmal anders stellt sich die Frage dar, wenn der Blick von außen auf Europa fällt. Für Menschen aus vielen Teilen der Welt ist Europa einerseits Sehnsuchtsort und Partner. Andererseits sind Eurozentrismus, fortwirkendes koloniales Erbe und wirtschaftliche Ungleichheit zugleich Gründe für die Abgrenzung von Europa und die Formulierung eigener Identitäten. Vorwürfe von doppelten Standards und ausgesetzter Ideale etwa bei Praktiken des Grenzschutzes sind Elemente einer kritischen Sicht auf die Realität vermeintlicher europäischer Ideale und zugleich eine Herausforderung für das Selbstverständnis Europas.
Mit diesen Aspekten zu Europa und europäischer Identität ist ein Themenfeld umrissen, zu dem unsere Vortragsreihe kultur- und sozialwissenschaftliche, philosophische und geographische Perspektiven bieten wird.

Vorlesungsreihe am Montag