Forstner, PD Dr. Christian – Vortragsexposé – Sommersemester 2019

Themenschwerpunkt "Was darf Wissenschaft?"


PD Dr. Christian Forstner
Physiker und Wissenschaftshistoriker, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich ″Schwächediskurse und Ressourcenregime″, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Die Erfindung der Verantwortung. Physiker und die Atombombe

Montag, 1. Juli 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

In meinem Vortrag gehe ich vergleichend auf die Geschichte der Kernforschung in NS-Deutschland und den USA während des Zweiten Weltkrieges ein. Bis heute lädt die unterschiedliche Bewertung insbesondere der Beteiligung deutscher Physiker am Uranverein zu Kontroversen ein. Wollten die deutschen Physiker aus moralischen Überlegungen keine Bombe bauen? Konnten sie keine Bombe bauen, weil sie nichts von der Physik der Bombe verstanden? Die historische Analyse zeigt, dass die Entscheidung, eine Atombombe zu bauen, eine politische Entscheidung war, die aufgrund politischer Rahmenbedingungen getroffen wurde. Auf beiden Seiten arrangierten sich die Wissenschaftler mit den jeweiligen Machthabern und boten Ressourcen für die jeweiligen Systeme. Eine bewusste Entscheidung deutscher Physiker während des Krieges gab es nicht. Dennoch waren Physiker und Wissenschaftler in der Nachkriegszeit bemüht, eine solche gesellschaftliche Verantwortung auszuüben. Hier zeigt der historische Vergleich unterschiedliche Handlungsweisen deutscher und amerikanischer Wissenschaftler, die sich auf unterschiedliche Traditionen gesellschaftlichen Engagements zurückführen lassen.

Christian Forstner ist derzeit Gastwissenschaftler an der Goethe-Universität Frankfurt und Privatdozent an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er studierte Physik in Regensburg und wurde 2006 im Fach Wissenschaftsgeschichte mit einer Arbeit zu Physik im Kalten Krieg promoviert. Das aus der Doktorarbeit hervorgegangene Buch Quantenmechanik im Kalten Krieg: David Bohm und Richard Feynman wurde mit dem Nachwuchspreis der Georg-Agricola-Gesellschaft ausgezeichnet. Nach Forschungsaufenthalten am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und einem Postdoc-Jahr an der Universität Wien nahm er eine Stelle an der FSU Jena als wissenschaftlicher Mitarbeiter an. Dort habilitierte er sich 2017. Die Habilitationsschrift ist zu Jahresbeginn mit dem Titel Kernphysik, Forschungsreaktoren und Atomenergie. Transnationale Wissensströme und das Scheitern einer Innovation in Österreich erschienen. Hinzu kommen mehrere Herausgeberschaften zu den Themen Physik im Kalten Krieg sowie Physik und Militär. Ein weiterer Sammelband mit dem Titel Biography in the History of Physics wird in Kürze im Springer Verlag erscheinen. In der Community ist Christian Forstner insbesondere als Leiter des Fachverbandes Geschichte der Physik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft aktiv.