THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
"KUNST – MACHT – MORAL"
PD Dr. Andreas Krause
(Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz · Schott Music GmbH & Co. KG)
Beethoven, Lenin und der 27. April 1945.
Concert lecture mit und über Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven, Karl Amadeus Hartmann und Fazil Say
Montag, 20. Juni 2016, 18:15 Uhr, R 00-156, Atrium maximum (Alte Mensa)
Macht Musik Moral? Wie wurden und werden moralische Standpunkte in und durch Musik ästhetisiert? Und wie ist das Verhältnis von Musik und (politischer) Macht?
Am Beginn steht eine Reflexion über Beethoven zwischen Revolution (Appassionata, 1804) und Restauration (Les Adieux, 1809). Lenins vielkolportierte Appassionata-Rezeption und die Bedeutung von Beethoven für die deutsche Arbeiterbewegung der Weimarer Republik, in der der Dirigent Hermann Scherchen eine schillernde Rolle spielt, führen zu dem Münchener Komponisten Karl Amadeus Hartmann, der als Exponent der sog. 'inneren Emigration' in den letzten Kriegstagen seine Klaviersonate "27. April 1945" schreibt, ein Mahnmal angesichts des Todesmarschs der Häftlinge bei Auflösung des KZ Dachau. Kompositorisch steht dieses Schlüsselwerk in der Tradition von Appassionata und Les Adieux, zentral gesetzt ist ein ausgreifender Trauermarsch über "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit", mit verwoben sind Floskeln jüdischer Kantorenmusik und russischer Partisanenlieder. Der Diskussion um eine 'Kunst nach Auschwitz' (Adorno) entsprechend wurde das Werk erst um 1980 aus dem Nachlass Hartmanns veröffentlicht.
Wie tagesaktuell soll und kann Musik heute in Debatten zu Moral und Politik eingreifen? Eine Antwort versucht Fazil Says Zyklus "Gezi Park" (2014).
Andreas Krause, seit 1992 Lektor für Zeitgenössische Musik im Verlag Schott Music Mainz, ebenfalls 1992 Promotion in Münster über die Klaviersonaten Franz Schuberts (erschienen im Bärenreiter Verlag, dort auch Mitherausgeber des "Schubert Handbuchs", 1997, und Mitautor des "Beethoven Handbuchs", 2009), 2003 Habilitation an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken mit Beiträgen zur Musik des 20. Jahrhunderts (insb. "Anton Webern und seine Zeit", Laaber 2001), 2012 Umhabilitierung an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz, seitdem Privatdozent am Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Maria-Sibylla Lotter
(Professorin für Ethik und Ästhetik mit besonderer Berücksichtigung der Philosophie der Neuzeit, Direktorin des Instituts für Philosophie I, Ruhr-Universität Bochum)
Machen uns die Künste zu besseren Menschen? Zum schwierigen Verhältnis von Ethik und Ästhetik
Montag, 27. Juni 2016, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)