IAK MEDIÄVISTIK / STUDIUM GENERALE
»MAINZ IM MITTELALTER«
PD Dr. Anette Gerok-Reiter
Der Mainzer Dichter Frauenlob – Narr oder Dichterfürst?
Donnerstag, 02. Februar 2006, 18.15 Uhr, P 4 (Philosophicum)
Wer war Frauenlob, jener Dichter, der in Mainz seine letzten Lebensjahre verbracht haben soll und 1318 im Mainzer Dom begraben wurde, wie sein – heute noch immer zu sehendes – Grab dort bezeugt? Man hat Frauenlob bei seinem Mainzer Begräbnis in doppelter Weise geehrt: Zum einen sollen ihn nicht Männer, sondern Frauen – unter lautesten Klagen – zu seinem Begräbnis im Kreuzgang getragen haben; zum anderen sei eine so große Menge an Wein über sein Grab gegossen worden, dass der ganze Kreuzgang überschwemmt wurde. Frauenlob – ein Dichterfürst: Er hat fasziniert und tut dies noch heute. Andererseits war der Dichter durchaus auch Zielscheibe heftiger Kritik: als narre und tore bezeichneten ihn manche seiner Zeitgenossen; redundante Sprachspielerei wird ihm in der gegenwärtigen Forschung noch immer vielfach vorgeworfen. Der künste koch, der ûz kezzels grunde schöpfen will, verbindet in seinem Werk artistische Kühnheit, prätentiöse Dunkelheit und selbstbewusste Reflexion des eigenen Tuns. Dabei steht Frauenlob in eigenwilliger Weise im Schnittpunkt vorausgegangener und nachfolgender Dichtungstraditionen. Zugleich zeigt sein eigenwilliger Umgang mit dem Sprachmaterial Züge, die quer zu seiner Zeit stehen, durchaus ´modern´ wirken. War Frauenlob zu modern für seine Zeit?
PD Dr. Annette Gerok-Reiter, Studium der Germanistik und Philosophie in Tübingen und Basel; Promotion 1992 mit einer Arbeit zur modernen deutschen Lyrik; danach Fachwechsel zur älteren deutschen Literatur; Habilitation 2004; seit 2002 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut, Mainz; 2005 Preis für besonders qualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen der Universität Mainz. Publikationen: Wink und Wandlung. Komposition und Poetik in Rilkes „Sonette an Orpheus“, Tübingen 1996 (Dissertation); Individualität. Studien zu einem umstrittenen Phänomen mittelalterlicher Epik [Habilitationsschrift, ersch. 2006]; Annette Gerok-Reiter, Sabine Obermaier (Hgg.), Angst und Schrecken. Ursachen, Funktionen, Bewältigungsstrategien in interdisziplinärer Sicht [ersch. 2006]; verschiedene Aufsätze im Bereich der mittelhochdeutschen Epik, der historischen Semantik und mittelalterlichen Literaturtheorie.