Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung
WENDEZEITEN UND EPOCHENUMBRÜCHE:
DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT HISTORISCHEN ZÄSUREN IM DRAMA
zu folgendem Vortrag ein:
PD Dr. Gunther Nickel
(Deutsches Institut, Universität Mainz/Deutscher Literaturfonds, Darmstadt)
"Sozialistische Vergangenheitsbewältigung" bei Bertolt Brecht und Peter Hacks
Montag, 30. November 2009, 18.15 Uhr, P 4 (Philosophicum)
Die Debatten um die "Bewältigung der Vergangenheit" dessen, was der Nationalsozialismus an Leid und Opfern hervorgebracht hat, begannen zu einer Zeit, als das, was 1945 Vergangenheit wurde, noch Gegenwart war. Die deutsche Emigration spalteten diese Auseinandersetzungen schon in den 1930er Jahren allmählich in zwei konträre Lager: in jenes, das von einer Kollektivschuld aller Deutschen überzeugt war, und jenes, das diese Überzeugung nicht teilte. Bertolt Brecht war neben Carl Zuckmayer und Anna Seghers einer der entschiedensten Gegner der Kollektivschuldthese, was zu einem denkwürdigen Streit mit Thomas Mann und dazu führte, dass Brecht nach dem Zweiten Weltkrieg nicht im entferntesten an die Aufgabe einer "Bewältigung der Vergangenheit" im Sinne einer "Erinnerungskultur" mit "Auschwitz" als dem Generalsignifikanten für die deutsche Geschichte dachte. Peter Hacks dagegen waren solche Überlegungen eine Zeitlang nicht fremd, aber auch er verwarf sie schließlich.
All das fand natürlich in der Dramatik sowohl von Brecht als auch von Hacks seinen Niederschlag und verdient beileibe nicht nur antiquarisches Interesse, sondern ist angesichts von erinnerungspolitischen Forderungen etwa der Konstanzer Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann brandaktuell und von nicht geringer Brisanz.
Gunther Nickel ist Privatdozent für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und Lektor des Deutschen Literaturfonds e.V. in Darmstadt. Er veröffentlichte als Autor und Herausgeber zahlreiche Bücher und Aufsätze zur deutschen Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, zuletzt: "Daniel Kehlmanns 'Die Vermessung der Welt'. Materialien, Dokumente, Interpretationen" (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2008).
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Wilfried Floeck (Hispanistik, Universität Gießen)
Die schwierige Begegnung von Alter und Neuer Welt im Film Cabeza de Vaca von Nicolás Echevarría: 1492 und 1992 als doppelte Zäsur
Montag, 7. Dezember, 18.15 Uhr, P 4 (Philosophicum)