Prof. Dr. Andreas Bartels – Vortragsexposé – Sommersemester 2005

STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
»ZUFALL – SCHICKSAL – NOTWENDIGKEIT«

Prof. Dr. Andreas Bartels (Bonn)

Gibt es einen einheitlichen Kausalbegriff?

Mittwoch, 22. Juni 2005, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Die gegenwärtig diskutierten Konzepte der Kausalität sind so vielfältig und kontrovers, dass eine Einheit des Kausalbegriffs fraglich erscheint. Nach Auffassung von Nancy Cartwright stellen »cause« oder »causation« lediglich unspezifische Sammelbezeichnungen dar, unter denen sich verschiedene spezifische Kausalbegriffe mit unterschiedlichen formalen Eigenschaften verbergen. Der Vortrag gibt einen Überblick über die verschiedenen Konzepte der Kausalität – probabilistische und kontrafaktische Konzepte, kausale Prozesstheorien – und diskutiert an konkreten Beispielen deren positive und negative Evidenzen. Dabei stellt sich heraus, dass keine der etablierten Theorien aus sich heraus alle Probleme zu lösen vermag, sondern ein »Mix« verschiedener Konzepte notwendig ist. Der Begriff »Kausalität« vereinigt offenbar unterschiedliche Intuitionen, die nur im Zusammenspiel tragfähig sind. Die im Rahmen der »Interventionstheorie« in jüngster Zeit diskutierten kausalen Modellierungstechniken (Pearl, Spirtes, Scheines, Woodward u. a.) scheinen allerdings geeignet, eine Reihe erhaltenswerter kausaler Intuitionen zu integrieren. Nach interventionalistischer Auffassung beschreiben kausale Aussagen, welche Änderungen in einem kausalen System infolge einer Intervention an einer der unabhängigen Variablen des Systems eintreten würden. Die in diesem Zusammenhang an den Begriff der »direkten Verursachung« gestellten Bedingungen sind so allgemein, dass auf dieser Basis, entgegen der Auffassung Cartwrights, ein einheitlicher Kausalbegriff wieder möglich erscheint.

Prof. Dr. Andreas Bartels, geb. 1953 in Bonn. 1973–1979 Studium der Mathematik und Physik in Gießen. Diplom in Mathematik. 1979–1984 Studium der Philosophie in Gießen. Promotion in Philosophie, Diss. »Kausalitätsverletzungen in allgemeinrelativistischen Raumzeiten«, Duncker & Humblot, Berlin 1986. 1984–1992 Wissenschaftlicher Mitarbeiter/ Assistent am Zentrum für Philosophie und Grundlagen der Wissenschaft in Gießen. 1990/91 Visiting Fellow am Center for Philosophy of Science, University of Pittsburgh. Habilitation 1992 in Gießen: »Bedeutung und Begriffsgeschichte. Die Erzeugung wissenschaftlichen Verstehens«, Schöningh, Paderborn 1994. 1993–1997 Vertretungsprofessuren an den Universitäten Heidelberg, FU Berlin, Gießen, Jena, LMU München und Erfurt. 1997–2000 Professor für Wissenschaftstheorie und Philosophie der Technik an der Universität Paderborn. Mitglied im Heinz Nixdorf Institut. Seit 2000 Professor für Wissenschafts- und Naturphilosophie an der Universität Bonn.
Publikationen (Auswahl): Grundprobleme der modernen Naturphilosophie, Schöningh (UTB), Paderborn 1996. – Aufsätze: Chains of Meaning: A Model for Concept Formation in Contemporary Physics Theories, Synthese 105, 347–379, 1996. – Modern Essentialism and the Problem of Individuation of Spacetime Points, Erkenntnis 45, 25–43, 1996. – Das Naturverständnis der Relativitätstheorie, in: L. Schäfer/E. Ströker (Hrsg.): Naturauffassungen in Philosophie, Wissenschaft, Technik. Band IV: Gegenwart, Freiburg: Alber, 13–34, 1996. – Do Times Exist? Two Conceptions of Reality for Time Instances, in: J. Faye et. al. (eds.): Perspectives on Time, Dordrecht: Kluwer, 203–213, 1997. – Objects or Events?: Towards an Ontology for Quantum Field Theory, Philosophy of Science 66 (Proceedings), 170–184, 1999. – Quantum Field Theory: A Case for Event Ontologies?, in: J. Faye, U. Scheffler, and M. Urchs: Events, Facts and Things, Rodopi, Amsterdam 2000. – The Idea which we call Power. Naturgesetze und Dispositionen, in: Peter Mittelstaedt und Gerhard Vollmer: Was sind und warum gelten Naturgesetze?, Philosophia Naturalis Band 37, Heft 2, 255–268, 2000. – Incommensurability and its Roots in Nature, Philosophia Naturalis 38, 25–36, 2001.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Heinz-Otto Peitgen (Professor für Mathematik, Universität Bremen und Florida Atlantic University, USA)
Ordnung im Chaos – Chaos in der Ordnung.
– Wenn Grenzen fließend werden –
Mittwoch, 29. Juni 2005, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)