Prof. Dr. Ansgar Beckermann – Vortragsexposé – Wintersemester 2004/2005

Studium generale – Mainzer Universitätsgespräche
Wie frei ist der Mensch?

Prof. Dr. Ansgar Beckermann (Bielefeld)

Willensfreiheit – nichts als eine Illusion?

Mittwoch, 1. Dezember 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Naturwissenschaftler behaupten in letzter Zeit immer häufiger, der freie Wille sei nichts als eine Illusion. Die empirischen Befunde, von denen sie dabei ausgehen, stützen diese These jedoch nur dann, wenn man von einem bestimmten – inkompatibilistischen – Freiheitsbegriff ausgeht, für den folgende Annahmen zentral sind:
1. Handelnde Personen stehen außerhalb der natürlichen Weltordnung und sind in der Lage, von außen kausal in diese Ordnung einzugreifen.
2. Eine Handlung ist nur frei, wenn sie nicht auf natürliche Ereignisse, sondern auf eine kausal in die Welt eingreifende Person zurückgeht.
3. Eine Handlung ist nur frei, wenn das kausale Eingreifen der Person selbst keine natürlichen Ursachen besitzt.
Diese Annahmen sind aber alles andere als unproblematisch, und der inkompatibilistische Freiheitsbegriff ist auch keineswegs konkurrenzlos. Der erfolgversprechendste Versuch zu zeigen, dass Freiheit und Determiniertheit vereinbar sind, geht auf John Locke zurück. Für Locke beruht Freiheit auf zwei zentralen Fähigkeiten – der Fähigkeit, vor dem Handeln innezuhalten und zu überlegen, was in der gegebenen Situation zu tun richtig wäre; und der Fähigkeit, dem Ergebnis dieser Überlegung gemäß zu handeln. Über diese Fähigkeiten kann man auch dann verfügen, wenn man determiniert ist.

Ansgar Beckermann, geboren 1945 in Hamburg. Studium der Philosophie, Mathematik und Soziologie in Hamburg und Frankfurt/M., 1974 Promotion in Frankfurt/M., 1978 Habilitation an der Universität Osnabrück, 1982 bis 1992 Professor für Philosophie an der Universität Göttingen, 1992 bis 1995 Professor für Philosophie an der Universität Mannheim, seit 1995 Professor für Philosophie an der Universität Bielefeld. 1988 bis 1994 einer der drei Koordinatoren des DFG-Schwerpunktprogramms Kognition und Gehirn, seit September 2000 Präsident der Gesellschaft für Analytische Philosophie e.V. – Arbeitsschwerpunkte: Handlungstheorie, Philosophie des Geistes, Erkenntnistheorie (www.uni-bielefeld.de/philosophie/personen/beckermann/index.html).
Veröffentlichungen: Gründe und Ursachen, Kronberg/Ts. 1977. – Descartes’ metaphysischer Beweis für den Dualismus – Analyse und Kritik, Freiburg/München 1986. – Einführung in die Logik, 2. Aufl., Berlin/New York 2003. – Analytische Einführung in die Philosophie des Geistes, 2. Aufl., Berlin/New York 2001. – Herausgeber: Analytische Handlungstheorie, Band 2, Handlungserklärungen, 2. Aufl., 1985. – Emergence or Reduction? – Essays on the Prospects of Nonreductive Physicalism (zusammen mit H. Flohr und J. Kim), Berlin/New York 1992. – Aufsätze in Fachzeitschriften und Sammelbänden.

Nächste Veranstaltung in dieser Reihe:
Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber
(Professor für Forensische Psychiatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin)
Sind wir alle unzurechnungsfähig?
Entscheidungsfreiheit und strafrechtliche Verantwortlichkeit aus Sicht des forensischen Psychiaters
Mittwoch, 8. Dezember 2004, 18.15 Uhr, N 3 (Muschel)