Prof. Dr. Anton Escher – Vortragsexposé – Sommersemester 2007

THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
"KONFLIKT UND KOMMUNIKATION GRUNDPROBLEME DER KULTURBEGEGNUNG"

Prof. Dr. Anton Escher (Mainz)

Interkulturelle Kommunikation am Beispiel des internationalen Tourismus in Marokko

Montag, 18. Juni 2007, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

In den Gesellschaften Marokkos bildeten sich in der vorkolonialen Vergangenheit umfassende Institutionen zur Vermittlung über die Grenzen sozialer Segmente hinweg aus. Man kann dabei von einer Tradition der Vermittlung und von einer traditionell legitimierten Autorität des Vermittlers sprechen. Im Tourismus verbindet sich die Vermittlungsfunktion mit einer narrativen Tradition, die ihr Ziel nicht in der Wiedergabe sachlicher Wahrheiten, sondern in der Unterhaltung des Gastes und einem Wunsch der Wahrung des eigenen Vorteils findet. Dazu geht der Kulturvermittlung eine inverse Ethnographie voraus, eine Erforschung der Wünsche und Vorstellungen der Touristen (basierend auf systematisch erworbenen Vorerfahrungen und möglicherweise antikolonialen Widerstandstraditionen), so dass dieser im Wesentlichen ein leicht verdauliches Substrat seiner eigenen Orientklischees serviert bekommt – Kara ben Nemsis Erbe trifft den blauen Mann, der noch nie eine blonde Frau gesehen hat, und kann mit echten Tuareg durch die Sandwüste ziehen. Kaum eine touristische Marokko-Werbung, die auf die Vokabeln wie Zauber, Paradies, 1001-Nacht verzichten mag, und so sind es shisha, Bauchtanz, und Geheimnisse gewürzduftender Basare, die dem Reisenden vorgesetzt werden. Die einzig entscheidende Kontrollinstanz ist der ökonomische Erfolg. Die interkulturelle Kommunikation erzeugt eine vollkommen neue Welt.

Prof. Dr. Anton Escher ist Professor für Kulturgeographie, Geschäftsführender Leiter des Geographischen Instituts, Sprecher des Zentrums für Interkulturelle Studien (ZIS) und Sprecher des Kompetenzzentrums Orient-Okzident Mainz.
Er hat Physik, Geographie, Islamwissenschaften und Philosophie studiert und wurde nach längerer wissenschaftlicher Tätigkeit in Erlangen und Berlin 1996 an die Universität Mainz berufen. Im Verlauf der letzten Jahre nimmt er regelmäßig Gastprofessuren an der Universität Wien wahr und pflegt intensive Kooperationen mit den Universitäten in Damaskus/Syrien und Fès/Marokko. Seine wissenschaftlichen Interessen liegen schwerpunktmäßig in den Ländern des Maghreb und des Fruchtbaren Halbmonds.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Dr. Ernest W. B. Hess-Lüttich
(Professor für Germanistik, Angewandte Linguistik und Kommunikationswissenschaft, Universität Bern)
Interkulturelle Medienkommunikation. Zur Berichterstattung über Fremde
Montag, 25. Juni 2007, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)