STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
"DAS SCHÖNE – FORMEN UND FUNKTIONEN"
Prof. Dr. Arbogast Schmitt (Marburg)
Das Schöne im geschichtlichen Wandel.
Über einen Grundunterschied antiker und moderner Schönheitsauffassung
Mittwoch, 30. Juni 2010, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Der Antike – und mit ihr dem Mittelalter und der Neuzeit bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts – schreiben wir zu, dass sie die Schönheit in der 'Natur der Dinge', im objektiven Sein der Welt gesucht habe. Die Aufgabe der Kunst habe man deshalb in der 'Nachahmung der Natur' gesehen. Seit dem Beginn der 'Ästhetik' (um 1750) gilt die Schönheit als etwas Sinnliches und Subjektives. Die Erfahrung der Schönheit ist abhängig von einer bestimmten Haltung zu den Dingen, sie setzt eine Empfänglichkeit für die sinnliche Erscheinung voraus und einen Verzicht auf die rationale Erkenntnis und praktische Benutzung der Dinge. Die Folge dieser 'Ästhetisierung' der Schönheitserfahrung ist allerdings auch, dass sie als etwas Irrationales und (objektiv) Unverbindliches aufgefasst wird, das nicht einmal mehr Ziel der künstlerischen Darstellung ist.
Diese Entgegensetzung einer objektiven und einer subjektiven Schönheitsauffassung ist viel zu pauschal und wird dem tatsächlichen historischen Wandel nicht gerecht. Die Überzeugung von der kultivierenden, ja Kultur stiftenden Kraft der Schönheit ist in der Antike nicht Resultat eines naiven Glaubens, sondern einer kritischen Reflexion auf die Erkennbarkeit von Schönheit. Der Vortrag versucht zu zeigen, wie durch die Vermeidung falscher Klischeebildungen beide scheinbar gegensätzlichen Auffassungen aufeinander bezogen werden können. Es soll deutlich werden, dass der Glaube an die hohe Bedeutung der Kunst für ein gelingendes Leben eine rationale Begründung hat.
Prof. Dr. Arbogast Schmitt, Studium der Gräzistik, Latinistik, Germanistik und Philosophie, Professor für Klassische Philologie (Schwerpunkt Gräzistik) in Mainz (1981–1991) und Marburg (seit 1991).
Forschungsschwerpunkt: Entstehung und Geschichte der Antike-Moderne-Antithese und ihrer Folgen für die Deutung antiker Texte. Außerdem Arbeiten zu Homer, zur griechischen Tragödie, zu Platon, Aristoteles. Wichtige Publikationen: Selbständigkeit und Abhängigkeit menschlichen Handelns bei Homer, Stuttgart 1991; Die Moderne und Platon, Stuttgart 2003; Aristoteles, Poetik, übers. und erl., Berlin 2008.
Abschlussvortrag dieser Reihe:
Prof. Dr. Heinz Paetzold
(Kommunikationstheorie und Kulturphilosophie, HAW Hamburg / Philosophie, Universität Kassel)
Ästhetik in Japan:
Graf Kukis Analyse von Iki als Prinzip einer städtischen Ästhetik
Mittwoch, 7. Juli 2010, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)