Prof. Dr. Arno Anzenbacher – Vortragsexposé – Wintersemester 2004/2005

IAK-MEDIÄVISTIK / STUDIUM GENERALE

ANGST UND TERROR IM MITTELALTER

Univ.-Prof. Dr. Arno Anzenbacher

Die Phänomenologie der Angst bei Thomas von Aquin

Donnerstag, 11. November 2004, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)

Wie bestimmt Thomas von Aquin (1225–1274), ein Hauptvertreter der Hochscholastik, den systematischen Ort der Angst (timor) innerhalb seiner Anthropologie und Ethik? Die Frage verweist auf die Lehre von den Passionen, d.h. den Affekten und Emotionen, die an sich der allen Animalien gemeinsamen Sinnlichkeit zugehören, beim Menschen jedoch eine besondere Bedeutung erlangen. Diese Bedeutung ergibt sich daraus, dass sie durch Vernunft und Willen nicht nur selbstbewusst, sondern auch gestaltbar werden, was wiederum ethisch von entscheidender Bedeutung für den klassischen Begriff der Tugend ist. Thomas rezipiert und systematisiert hier eine auf Platon und Aristoteles zurückgehende große Tradition.
Die Angst ist nach Thomas eine spezielle Passion innerhalb der irasziblen (mutartigen) Potenz der affektiven Sinnlichkeit. Als sinnlich-materielles Geschehen wird sie einerseits psychisch erlebt und kann insofern hinsichtlich ihrer Grundstruktur und ihrer diversen Ausprägungen phänomenologisch beschrieben werden. Andererseits vollzieht sie sich physisch-materiell als organischer Prozess, der eine Beschreibung anderer Art erforderlich macht. Im Kontext der christlichen Theologie kommt der Angst besonders in der Form der Gottesfurcht (timor Dei) Bedeutung zu.

Univ.-Prof. Dr. Arno Anzenbacher, geboren 1940 in Bregenz (Österreich), Studium der Philosophie und Theologie in Innsbruck und Freiburg (Schweiz), Promotion aus Philosophie 1964 in Freiburg, Habilitation aus Philosophie 1972 in Wien. Seit 1981 Professor für Christliche Anthropologie und Sozialethik am Fachbereich Katholische Theologie in Mainz.

Wichtige Veröffentlichungen: Die Intentionalität bei Thomas von Aquin und Edmund Husserl (1972), Einführung in die Philosophie (1981, 10. Aufl. 2004), Einführung in die Ethik (1992), Christliche Sozialethik. Einführung und Prinzipien (1998).