Prof. Dr. Bernhard Giesen – Vortragsexposé – Wintersemester 2011/2012

Themenschwerpunkt des Studium generale
"Die Macht kultureller Traditionen"

Prof. Dr. Bernhard Giesen (Konstanz)

Triumph + Trauma

Montag, 30. Jan. 2012, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Triumph und Trauma sind Grenzerfahrungen, die auf die beiden Pole der menschlichen Existenz verweisen: Leben und Tod. Vor diesem Hintergrund gewinnen sie als Manifestationen des Außerordentlichen eine herausragende Bedeutung für individuelle wie auch kollektive Identitätskonstruktionen. Aus einer kultursoziologischen Perspektive interessiert vor allem die Rahmung von Ereignissen als triumphal oder traumatisch, die auf nationaler Ebene in öffentlichen Diskursen erfolgt; die Dynamik derartiger Prozesse folgt einer kulturellen Logik, die sich vom Außerordentlichen speist. Die Figur des Helden ist dafür ein Beispiel. Durch mythische Erzählungen oder erinnernde Denkmäler stellen Gesellschaften ihn ins Zentrum ihrer Triumpherfahrungen und versichern sich so ihrer gemeinschaftlichen Einheit und einheitlichen Gemeinschaft rück. Im 20. Jahrhundert jedoch gewinnt das nationale Trauma zunehmend an Bedeutung. Das Gedenken an Opfer als rituelles Schuldbekenntnis löst, wie der deutsche Fall prominent zeigt, den Helden als Identitätsstifter ab.

Bernhard Giesen ist Kultursoziologe der Universität Konstanz. Er lehrt regelmäßig an der Yale University und hatte in den letzten Jahren darüber hinaus Forschungs- und Lehraufenthalte im Ausland absolviert – unter anderem in Stanford, Chicago, New York, Florenz und Brisbane.
Seine Interessengebiete umfassen unter anderem kollektive Identität, kulturelles Gedächtnis und öffentliche Diskurse, und in jüngerer Vergangenheit auch soziale Phänomene der Ambivalenz und Ambiguität.
Unter seinen Publikationen sind vor allem die Bücher zur kollektiven Identität hervorzuheben (Die Intellektuellen und die Nation, Suhrkamp 1993; Kollektive Identität, Suhrkamp 1999), seine englischsprachige Monographie "Triumph and Trauma" (Paradigm Publishers 2004) sowie ein von ihm mit herausgegebener Sammelband zum Tätertrauma (UVK 2004). Seine neueste Publikation (Zwischenlagen, Velbrück 2010) beschäftigt sich mit dem Außeralltäglichen als Grundlage der sozialen Wirklichkeit.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Werner Mezger (Europäische Ethnologie/Volkskunde, Universität Freiburg)
Feste und Bräuche.
Traditionen als Erinnerungsspeicher und Identitätsressourcen
Montag, 6. Februar 2012, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)