Prof. Dr. Brigitte Schultze · Vortragsexposé · Wintersemester 2009/2010

Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung
WENDEZEITEN UND EPOCHENUMBRÜCHE: DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT HISTORISCHEN ZÄSUREN IM DRAMA
zu folgendem Vortrag ein:


Prof. Dr. Brigitte Schultze
(Institut für Slavistik, Universität Mainz)

Diktatur als 'Zivilisationsbruch': Die Stücke des Befreiten Theaters von Voskovec und Werich (1933–1938)

Montag, 16. November 2009, 18.15 Uhr, P 4 (Philosophicum)

Im tschechischen Drama des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts ist eine erinnernde Verarbeitung von Krisenzeiten, Katastrophen und Umbrüchen eher die Ausnahme. Kennzeichnend ist hingegen die Sondierung der aktuellen Situation, ggf. ein geradezu hellsichtiges Erfassen von deren Folgen. Das gilt auch für die zwischen 1932 und 1938 entstandenen Bühnenwerke des Befreiten Theaters (1927–38) von Jiří Voskovec und Jan Werich. Gestützt auf die Verfahren des Poetismus und populärer Spielformen wie Revue, Zirkus und Music-Hall, schaffen "V+W" ein höchst eigenständiges, auf Improvisation und Performativität setzendes Theater, das internationales Ansehen erringt und dessen Tradition bis ins 21. Jahrhundert fortwirkt. Hier geht es um die zweite Phase: Von den politischen Ereignissen "in die Pflicht genommen" (Voskovec), werden die Diktaturen des 20. Jahrhunderts, vor allem die Nazidiktatur, als fundamentale Bedrohung der Menschheit vorgeführt. Zu den zentralen Beispielen dieses Avantgarde-Theaters gehören Der Esel und sein Schatten (1933), Der Henker und der Narr (1934) und Die schwere Barbara (1937).

Univ.-Prof. Dr. Brigitte Schultze hat von 1987 bis 2005 als Professorin für Slavische Literaturwissenschaft die polnische und die tschechische Literatur an der Johannes Gutenberg-Universität vertreten. Veröffentlichungen im Felde von Drama und Theater betreffen u. a. gattungspoetische Probleme und historische sowie systematische Fragen der Dramenübersetzung. Die polnischen Bühnentexte zum Stoff des Bauernfürsten sind in dieser Monographie behandelt: Der polnische 'Bauernfürst': Vom Bauern zum König. Frankfurt a. M.: Lang, 2003 (poln. 2006). Aufsatzliteratur: "Kulturstiftende Funktion der Dramenübersetzung seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts", in: H. Kittel (Hg.), Übersetzung. Translation. Traduction. HSK. 26.2. Berlin, New York 2007, S. 1644–1659. Im Druck befinden sich Fallstudien zu den deutschen, polnischen und tschechischen Übersetzungen von M. Ju. Lermontovs Drama Maskarad vom 19. bis zum 21. Jahrhundert.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Henry Thorau (Portugiesische Kulturwissenschaft, Universität Trier)
Abertura im Theater: die vielen Facetten der Auseinandersetzung mit den finsteren Zeiten der Diktatur der 1960er und 70er Jahre in Brasilien
Montag, 23. November 2009, 18.15 Uhr, P 4 (Philosophicum)