Prof. Dr. Bruno Reudenbach – Vortragsexposé – Wintersemester 2007/2008

Das Institut für Kunstgeschichte und das Studium generale laden zu folgendem Vortrag ein:

Prof. Dr. Bruno Reudenbach (Hamburg)

Das Buch als Heiligtum. Anlagekonzept und Bildlichkeit frühmittelalterlicher Evangelienbücher

Mittwoch, 16. Januar 2008, 18.15 Uhr
Hörsaal des Instituts für Kunstgeschichte (Binger Straße 26)

In den Evangelien sieht das Christentum eine heilige Schrift, das Wort Gottes, in dem sich Gott offenbart hat. Ja, der Text des Evangeliums verkörpert, wie mittelalterliche Theologen mehrfach beteuert haben, Gott und ist darin dem Sakrament der Eucharistie vergleichbar.
Der Vortrag geht der Frage nach, welche Folgen diese Vorstellung für die visuelle Zurichtung von Evangelienbüchern im frühen Mittelalter hatte. Die Bildlichkeit der Evangeliare erweist den Codex als einen Buchraum, ein Heiligtum, das von Gott erfüllt ist. Es kann gezeigt werden, dass vor allem durch die schon früh zum Standard der Bildausstattung von Evangeliaren zählenden Kanontafeln und Evangelistenbilder diese besondere Qualität des Evangeliars ausgewiesen und eine Ästhetik formuliert wird, die gezielt die Dialektik von Verhüllung und Offenbarung Gottes im göttlichen Wort entfaltet.

Literatur:
BEAT BRENK: Schriftlichkeit und Bildlichkeit in der Hofschule Karls des Großen, in: Testo e immagine nell’alto medioevo, Spoleto 1994 (Settimane di studio del centro italiano di studi sull’alto medioevo 41) Bd. 2, S.631-691;
JOHANN KONRAD EBERLEIN: Apparitio regis, revelatio veritatis. Studien zur Darstellung des Vorhangs in der bildenden Kunst von der Spätantike bis zum Ende des Mittelalters, Wiesbaden 1982;
HERBERT L. KESSLER: „Facies bibliothecae revelata“: Carolingian art as spiritual seeing, in: Testo e immagine nell’alto medioevo, Spoleto 1994 (Settimane di studio del centro italiano di studi sull’alto medioevo 41) Bd. 2, S. 533-594 Wiederabdruck in: HERBERT L. KESSLER: Spiritual seeing. Picturing God’s invisibility in medieval art, Philadelphia, Pa. 2000, S. 149-189);
CARL NORDENFALK: Die spätantiken Kanontafeln, Text- u. Tafelband, Göteborg 1938 (Die Bücher¬ornamentik der Spätantike 1);
BRUNO REUDENBACH: Das Godescalc-Evangelistar, Frankfurt a. M. 1998.

Prof. Dr. Bruno Reudenbach, Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie in Köln und Freiburg; Promotion 1977; 1978-1986 Wiss. Mitarbeiter am SFB 7 „Mittelalterforschung“, Westf. Wilhelms-Universität, Münster; seit 1986 Professor für Kunstgeschichte, Kunstgeschichtliches Seminar der Universität Hamburg; 1997/98 Gastprofessur J.W.v.Goethe-Universität, Frankfurt a.M.; Wissenschaftl. Leiter des Deutschen Bibel-Archivs, Universität Hamburg.