THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
OPFER UND TÄTER
Prof. Dr. Christian Rittner (Mainz)
Opfer und Täter – Konflikte aus der Sicht eines Rechtsmediziners
Dienstag, 30. November 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)
Der klassische Fall ist die Beziehungstat zwischen Mann und Frau bei Eifersuchts- und Tren¬nungskonflikten (s. RASCH "Tötung des Intimpartners" 1964). Überlebt einer der Partner und wird zur Verantwortung gezogen, forscht der Forensische Psychiater/Psychologe im Auftrag des Ge¬richts oft vergeblich nach dem Motiv, bei anscheinend offenbaren Rollenzuweisungen – der/die Verstorbene war das Opfer, der/die Überlebende der Täter. Versterben beide (oder alle Beteilig¬ten), bleibt das Tatmotiv immer im Dunkeln. Hierzu sind auch die sog. Mitleidstötungen zu rechnen.
Der Rechtsmediziner sieht als "letzter Zeuge" aber auch Sonderfälle ohne klare Rollentrennung: So ist der klassische Suizident Täter und Opfer zugleich. Problematisch sind Fälle des Doppel- oder erweiterten Suizids, des larvierten Suizids und der z. T. schwerwiegenden bzw. lebensge¬fährlichen Selbstbeschädigung. Keinesfalls handelt es sich dabei immer um psychiatrisch oder psychopathologisch auffällige Persönlichkeiten, z. B. beim Versicherungsbetrug. Beim erweiterten Familienmord mit anschließendem Suizid des Täters ist oft Destruktion/Auslöschung das Tat¬motiv. In jüngerer Zeit ist bei vermeintlich oder tatsächlich tödlich verlaufender Krankheit das Motiv Sterbe¬hilfe (Beihilfe zum Suizid/Tötung auf Verlangen). Hier sieht der Autor Defizite in der ärzt¬lichen Sterbebegleitung/terminalen Therapie.
Prof. Dr. med. Christian Rittner, geb. 1938 in Dresden, Studium der Humanmedizin an den Universitäten in Berlin und Bonn. Promotion 1963. Research Fellow am Cornell University Medical College in New York 1967/68, Habilitation 1970. Apl. Professor 1973, Facharzt für Rechtsmedizin 1978. Teilgebietsbezeichnung Medizinische Genetik 1985. C4-Professor und Leiter des Institutes für Rechtsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität von 1985–2003. Hauptarbeitsgebiete: Forensische Molekulargenetik, Immungenetik, Arztrecht und Arztethik, Kriminologie.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Björn Burkhardt (Prof. für Strafrecht und Strafprozessrecht, Universität Mannheim)
Neurobiologie contra Schuldstrafrecht?
Dienstag, 7. Dezember 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)