Prof. Dr. Christoph Hoffmann – Vortragsexposé – Sommersemester 2014

Studium generale: Mainzer Universitätsgespräche

"Warum wir wissen wollen: Neugier, Staunen, Zweifeln"



Prof. Dr. Christoph Hoffmann

Professor für Wissenschaftsforschung, Universität Luzern

Unverständnis, Ignoranz, Fehllektüre.

Ineffizienz als Normalfall

Mittwoch · 14. Mai 2014 · 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)



In den Wissenschaften kommt es ab und zu vor, dass trotz aller Neugier und gespannter Aufmerksamkeit Erkenntnisse übergangen oder Entdeckungen übersehen werden. Fallen solche Geschehnisse auf, werden sie als merkwürdig begriffen. Man sucht nach einer Erklärung, führt Gründe an und gibt hierdurch zu erkennen, dass es sich um Ausnahmen von der Regel handeln soll. Vorausgesetzt wird damit, dass wissenschaftliche Erkenntnisse sich gewöhnlich ohne Verluste anhäufen und reibungsfrei zirkulieren. Was von diesem Bild abweicht, wird entsprechend als Ausdruck einer Ineffizienz verstanden, die, sofern es sich um vergangene Vorkommnisse handelt, ′wegzuerklären′ ist oder, wo es um die Gegenwart geht, durch geeignete Maßnahmen gleich ganz verhindert werden soll. In meinem Vortrag möchte ich auf die Voraussetzungen eingehen, die sich in einer solchen Ökonomie wissenschaftlicher Kommunikation geltend machen. Führt man sich diese Voraussetzungen vor Augen, könnten einem weniger die vermeintlichen Störfälle merkwürdig erscheinen als die Regel, von der sie Ausnahme sein sollen. Was als Ineffizienz charakterisiert wird, wäre dann, wenn nicht gleich der Normalfall, so doch ein Fall unter anderen. Das muss nicht schrecken, man kann sogar behaupten, dass sich dabei gelegentlich die Möglichkeit eines unerwarteten Gewinns ergibt.



Christoph Hoffmann ist Professor für Wissenschaftsforschung an der Universität Luzern. Sein Interesse gilt den materiellen, historischen und theoretischen Umständen wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse. Gegenwärtig beschäftigt er sich mit dem Gebrauch von Schriftgut als Forschungsobjekt und Datenquelle in Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften. Darüber hinaus begleitet er aus der Perspektive der Wissenschaftsforschung eine Arbeitsgruppe zur akustischen Kommunikation bei Fischen. Ausgewählte Publikationen: Die Arbeit der Wissenschaften, Zürich, Berlin: Diaphanes, 2013; (Hg.) Daten sichern. Schreiben und Zeichnen als Verfahren der Aufzeichnung, Zürich, Berlin: Diaphanes, 2008; Unter Beobachtung. Die Sinne der Naturforschung 1750–1830, Göttingen: Wallstein, 2006.



Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Prof. Dr. Joachim Funke

(Professor für Allgemeine und Theoretische Psychologie, Universität Heidelberg)

Quellen der Kreativität aus psychologischer Sicht

Mittwoch · 21. Mai 2014· 18:15 Uhr · N 1 (Muschel)