Mainzer Universitätsgespräche
"Standpunkte, Koordinaten, Horizonte – Sich in der Welt orientieren"
Prof. Dr. Daniel Haun
Leipziger Forschungszentrum für frühkindliche Entwicklung, Universität Leipzig
Wo bin ich?
Kulturelle Einflüsse auf Orientierungsstrategien
Mittwoch, 30. Januar 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
In unserer Kultur beschreiben wir Dinge in der Welt meist vom eigenen Standpunkt aus: "Der Ball liegt links vom Baum" – ob diese Beschreibung stimmt, hängt davon ab, wo sich der Beobachter im Verhältnis zum Ball befindet. Diese Art des Beschreibens heißt deshalb egozentrisch. Es geht aber auch anders: Die allozentrische Sichtweise setzt die Position der Objekte im Raum zueinander in Beziehung und lässt den Sprecher außen vor: "Der Ball liegt westlich des Strauches." In anderen Kulturen orientieren sich Sprecher üblicherweise allozentrisch. Das kann zum Beispiel über bedeutsame geografische Orte in der Umgebung wie "in Richtung Fluss" funktionieren. Auf Inseln sind manchmal Angaben gebräuchlich wie "zum Mittelpunkt hin" und "gegen den Uhrzeigersinn um die Insel".
Diese allozentrische Strategie nutzen Kleinkinder spontan, um sich zu orientieren. Erst ab dem Alter von vier Jahren lernen sie in oft langwierigen Prozessen die in unserer Gesellschaft verbreitete egozentrische Variante – und auch als Erwachsene kommen wir noch in vielen Situationen durcheinander, wenn wir schnell rechts von links unterscheiden sollen.
Warum also bemühen sich die europäischen Sprachen um eine egozentrische Orientierung? – Diese und weitere Fragen werden im Vortrag erörtert.
Prof. Dr. Daniel Haun: Studium der Psychologie, Universität Trier und University of South Carolina, USA. – 2007: PhD (summa cum laude), Max-Planck-Institut für Psycholinguistik, Nijmegen, Niederlande, und Donders Centre for Cognitive Neuroimaging, Nijmegen, Niederlande, Betreuer: Prof. Stephen C. Levinson und Prof. Gabriele Janzen. – 2006–2007: Post-Doc, Abteilung für Vergleichende und Entwicklungspsychologie, Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig. – 2008–2013: Forschungsgruppenleiter Vergleichende kognitive Anthropologie, Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig, und Max-Planck-Institut für Psycholinguistik, Nijmegen, Niederlande. – 2013–2015: Gastwissenschaftler, Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig. – 2014–2015: Professor für Entwicklungspsychologie, Universität Jena. – Seit 2015 ist Daniel Haun Professor für frühkindliche Entwicklung und Kultur sowie Direktor des Leipziger Forschungszentrums für frühkindliche Entwicklung an der Universität Leipzig. – Weitere Infos unter: https://www.lfe.uni-leipzig.de/de/mitarbeiter/daniel-haun/
Nächster und abschließender Vortrag dieser Reihe:
Dr. Michael Jungert
(Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen ZiWiS, Universität Erlangen-Nürnberg)
Krise der Wissenschaft? Wissenschaftsreflexion als Orientierungshilfe
Mittwoch, 13. Februar 2019, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)
!! Der Vortrag von Prof. Dr. Markus Tiedemann am Mittwoch, 6. Februar 2019 entfällt !!