Gethmann, Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich – Vortragsexposé – Sommersemester 2019

Themenschwerpunkt "Was darf Wissenschaft?"


Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann
Professor für Wissenschaftsethik am Forschungskolleg "Zukunft menschlich gestalten", Universität Siegen

Die Krise des Wissenschaftsethos

Montag, 29. April 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Die Glaubwürdigkeitskrise der Wissenschaften ist durch einige spektakuläre Forschungsfälschungen der letzten Zeit keineswegs hinreichend erklärt. Vielmehr konnten diese Ereignisse nur als so dramatisch in der Öffentlichkeit aufgenommen werden, weil sie eine mehr oder weniger latente Stimmung tiefen Unbehagens gegenüber der Wissenschaft manifest gemacht und verstärkt haben. Das Besondere und Dramatische an den Betrugsfällen in der Wissenschaft ist, dass mit der Glaubwürdigkeitskrise der Wissenschaftler der Kredit der Wissenschaft und damit das Selbstverständnis einer wissenschaftlich-technisch geprägten Kultur insgesamt zur Debatte stehen.
Die Moralität des Forschers ist daher bereits bei der Wissenserzeugung und nicht erst bei der Wissensanwendung von Bedeutung. Wissenschaft im Zeitalter der "big science" ist ein Kommunikationsphänomen, das Bedingungen der Großgruppeninteraktion unterliegt. Zu diesen Bedingungen gehören die Anonymität der Akteure und die Dissipation von Zurechnung und Verantwortung. Unter komplexen Verhältnissen kann man aber nicht umhin, auf die Habitualisierung bestimmter Verhaltensweisen zu setzen und Regelkonformität im Rahmen institutioneller Kontrolle zu unterstellen.

Carl Friedrich Gethmann, Universitätsprofessor Dr. phil. habil. Dr. phil. h.c., lic. phil., geb. 1944; Studium der Philosophie in Bonn, Innsbruck und Bochum; 1968 lic. phil. (Institutum Philosophicum Oenipontanum); 1971 Promotion zum Dr. phil. (Ruhr-Universität Bochum); 1978 Habilitation für "Philosophie" (Universität Konstanz). 2003 Ehrenpromotion zum Dr. phil. h.c. an der Humboldt-Universität zu Berlin; seit 2010 Honorarprofessor an der Universität zu Köln. 1968 wiss. Assistent; 1972 Universitätsdozent für Philosophie an der Universität Essen; 1978 Privatdozent an der Universität Konstanz; seit 1979 Professor für Philosophie an der Universität Essen; weitere Lehrtätigkeiten an den Universitäten Düsseldorf und Göttingen. 1996–2012 Direktor der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen in Bad Neuenahr-Ahrweiler; seit 03.2012 Professor für Wissenschaftsethik am Forschungskolleg "Zukunft menschlich gestalten" der Universität Siegen. Mitglied der Academia Europaea (London); o. Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften; o. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (Halle); o. Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech); ehem. Mitglied der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland Pfalz; Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie e.V. (2006–2008); Mitglied des Deutschen Ethikrates (ab 2013; verlängert 2017–2021); Mitglied des Direktoriums von ESYS (Energiesysteme der Zukunft 2015–2019); Mitglied des Ethikrates der Max-Planck-Gesellschaft. Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (2006). Forschungsschwerpunkte: Sprachphilosophie, Philosophie der Logik; Phänomenologie; Angewandte Philosophie (Medizinische Ethik, Umweltethik, Technikfolgenabschätzung).

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
PD Dr. Ralf Dahm
(Director of Scientific Management, Institute of Molecular Biology (IMB), Mainz | Mitglied der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz)
Mensch 2.0 – Was macht die Genschere CRISPR/Cas möglich?
Montag, 6. Mai 2019, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)