THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
"URSPRUNGSMYTHEN"
Prof. Dr. Dr. h. c. Jean-François Bergier
Professor em. für Geschichte, Eidgenössische Technische Hochschule
Zürich
Die Schweiz – eine Eidgenossenschaft von Mythen
Montag, 3. Juli 2006, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)
Historische Mythen besitzen für eine Gemeinschaft, insbesondere für eine Nation, eine identitätsstiftende Bedeutung. Ihre symbolische Wirkung bleibt noch heute positiv, insofern sie als Mythen wahrgenommen werden, und nicht als Idealisierung einer trüben Geschichte. Die Gründungsmythen der Schweiz, insbesondere der Tell-Mythos, stellen ein Beispiel dar: Sie begleiten die lange Entstehung einer lokalen, losen Eidgenossenschaft im 13. Jahrhundert, sodann eines Staatenbundes und schliesslich (1848) eines Bundesstaates. Ihre Wirkungsgeschichte ist aber komplex und widersprüchlich. Einerseits haben diese nationalen Mythen sehr früh einen universalen Wirkungskreis erreicht, andererseits wurde ihre Glaubwürdigkeit immer wieder in Frage gestellt. Darüber hinaus schafft sich die Schweiz als "Willensnation", die ständig auf der Suche nach eigener Identität ist, neue "Gründungsmythen", die als Maximen gelten (humanitäre Tradition, Neutralität, symbolischer Rückzug in den Alpen).
Jean-François BERGIER, Prof. emer. für Geschichte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Studium in Lausanne, München und Paris (bei Fernand Braudel). Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Genf (1963-1969) und an der Sorbonne (1976-1978). Ehrenpräsident der Internationalen Gesellschaft für Wirtschaftsgeschichte. Verfasser, u.a. von "Wirtschaftsgeschichte der Schweiz" (1982); "Eine Geschichte vom Salz" (deutsche Übersetzung 1989); "Wilhelm Tell. Realität und Mythos" (deutsche Übersetzung 1990); "Die Schweiz in Europa" (deutsche Übersetzung 1998); "Pour une histoire des Alpes, Moyen Âge et Temps modernes" (1997). Von 1996 bis 2002: Präsident der Unabhängigen Expertenkommission: Schweiz – Zweiter Weltkrieg. Lebt heute am Genfer See.
Nächster Vortrag dieser Reihe:
Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Koslowski (Professor für Philosophie, Faculteit der Wijsbegeerte, Vrije Universiteit Amsterdam)
Der freie und der unfreie Wille und der Ursprung des Bösen
Montag, 10. Juli 2006, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)