Prof Dr. Dr. Mathias Gutmann – Vortragsexposé – Wintersemester 2008/2009

THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
"BIOLOGISCH DETERMINIERT? MENSCHSEIN ZWISCHEN ZWANG UND AUTONOMIE"

Prof. Dr. Dr. Mathias Gutmann (Karlsruhe)

Der Mensch zwischen Genen und Evolution

Dienstag, 2. Dezember 2008, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Die Definition dessen, was der Mensch sei, wird in aktuellen Diskussionen nahezu selbstverständlich von der Biologie erwartet. Dabei werden Beschreibungen und Erklärungen aus unterschiedlichen lebenswissenschaftlichen Disziplinen herangezogen; neben Genetik prävalieren insbesondere Neurobiologie und Biodiversity-Research. Als wesentliche – wenn nicht einzige – Bestimmungsgrundlage für "den Menschen" wird dabei angenommen, dass von Exemplaren von H. sapiens die Rede ist, denen bestimmte – die biologische Art charakterisierende – Eigenschaften zukommen. Da diese nun die Grundlage für die Bestimmung letztlich aller Eigenschaften, Fertigkeiten oder Fähigkeiten des Menschen sind, erscheint es nicht unzulässig, auch für jene Phänomene, die wir üblicherweise als kulturelle den natürlichen gegenüberstellen, eine natürliche – und das heißt hier eben biologische – Grundlage zuzuschreiben. Je nach Stärke des entfalteten Argumentes kann der so resultierende Naturalismus bis in die – schon aus dem 19. Jahrhundert bekannten, dort allerdings im wesentlichen evolutionsbiologisch gestützten – Varianten des Biologismus weitergeführt werden.
Bestimmt man nun den Menschen sogleich als Exemplar von H. sapiens, so ist die Rede von seiner genetischen oder evolutionären Bestimmung regelmäßig so aufzufassen, als ließe sich derselbe "vollständig" unter Nutzung jener deskriptiven, explikativen oder explanativen Mittel verstehen, die durch die genannten biologischen Disziplinen bereitgestellt werden. Selbst solche typischen kulturellen Phänomene wie das Ich oder die Freiheit erschienen dann lediglich noch als biologische Äußerungen eines Naturwesens. Die Aufgabe der Vorlesung besteht danach in einem Zweifachen:
1. Es wird die logische Grammatik biologischer Beschreibungen "des" Menschen unter Nutzung genetischer und evolutionsbiologischer Sprachstücke rekonstruiert.
2. Es werden die Antizipationen identifiziert, die einer biologisch reduzierten Rede von "dem" Menschen zugrundeliegen.
Auf der Basis dieser Darstellungen sollen Perspektiven einer "nicht-reduktiven" Grammatik des Humanums vorgetragen und die Reichweite derselben gegenüber wissenschaftlichen (hier natur- resp. lebenswissenschaftlichen) Beschreibungen bestimmt werden.

Mathias Gutmann, geb. 1966, Professor für Technikphilosophie an der Universität Karlsruhe (TH). Studium in Frankfurt/M, 1995 Promotion in Philosophie in Marburg, 1998 Promotion in Biologie in Frankfurt/M. 2004 Habilitation in Philosophie in Marburg. 2002–2008 Juniorprofessor für Anthropologie in Marburg.
Wichtigste Veröffentlichungen: Die Evolutionstheorie und ihr Gegenstand 1996; Erfahren von Erfahrungen. Dialektische Studien zur Grundlegung einer philosophischen Anthropologie 2004.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger (Professur für Medizinische Genetik, Med. Universität Wien)
Genetische Diagnostik am ungeborenen menschlichen Leben: Pro und Contra
Dienstag, 9. Dezember 2008, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)