Prof. Dr. Dr. Paul Tiedemann – Vortragsexposé – Sommersemester 2017

Themenschwerpunkt "Menschenrechte"

Prof. Dr. Dr. Paul Tiedemann
Honorarprofessor, Professur für Öffentliches Recht und Europarecht, Justus-Liebig-Universität Gießen · Apl. Professor an der Özyeğin-Universität, Istanbul, Türkei · Richter a.D.

Fichte und die Identitätstheorie der Menschenwürde

Montag, 29. Mai 2017, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Der Vortrag vergleicht die wesentlichen Elemente der sogenannten Identitätstheorie der Menschenwürde mit Johann Gottlieb Fichtes naturrechtlicher Begründung des Rechtsverhältnisses. Die Identitätstheorie beansprucht eine Rekonstruktion des Begriffs der Menschenwürde, der begriffsgeschichtlich anschlussfähig, justiziabel und metaphysisch sparsam ist. Für die Geltung des Prinzips der Menschenwürde beruft sich die Theorie auf empirische Argumente. Die Identitätstheorie weist überraschende Parallelen mit Fichtes Überlegungen zum Rechtsverhältnis auf. Der hauptsächliche Unterschied zwischen beiden Denkweisen besteht darin, dass die Identitätstheorie nicht in Anspruch nimmt, den Begriff der Menschenwürde und die Geltung des Rechtsprinzips der Menschenwürde allein auf der Grundlage transzendentaler Argumente begründen zu können. Ein anderer Unterschied betrifft die Unterscheidung von Werten und Normen, die Fichte nicht mit der notwendigen Klarheit vornimmt.

Paul Tiedemann, geboren 1950, studierte Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Frankfurt am Main sowie Verwaltungswissenschaften in Speyer. Nach der juristischen Promotion im Februar 1976 über ein verwaltungsrechtliches Querschnittsthema und dem 2. Staatsexamen im November 1976 erfolgte nach kurzer anwaltlicher Tätigkeit und dreijähriger Tätigkeit in der Rechtsabteilung einer Bundesbehörde der Eintritt in die Justiz des Landes Hessen. Als Richter war er am VG Darmstadt, dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof, der Baulandkammer des Landgerichts Darmstadt und hauptsächlich am Verwaltungsgericht Frankfurt am Main tätig, wo er 2016 in den Ruhestand trat. Neben der richterlichen Tätigkeit erfolgten Lehraufträge an der damaligen Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden und der Universität des Saarlandes sowie 2006 die Promotion in Philosophie an der Universität Frankfurt über Menschenwürde als Rechtsbegriff. Im Wintersemester 2007/08 gründete er die erste Refugee Law Clinic (RLC) in Deutschland an der Universität Gießen, wo er 2012 zum Honorarprofessor ernannt wurde.
Forschungsschwerpunkte bilden die Schnittstelle zwischen Jurisprudenz und Philosophie im Bereich der Menschenrechte und des Flüchtlingsrechts. Thematisch einschlägige Veröffentlichungen: Menschenwürde als Rechtsbegriff, 3. Aufl. 2012; Human Dignity as an Absolute Value, 2013; Identity and Human Rights, 2016. Zum Thema des Vortrags erscheint demnächst ein Aufsatz in ARSP. Akademische Ehrungen: 2010 Hessischer Hochschulpreis "Exzellenz in der Lehre" des Landes Hessen und der Hertie-Stiftung; 2015 Peter-Becker-Preis der Universität Marburg, jeweils zusammen mit dem Team der RLC.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Sabine Hess
(Professorin am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie, Georg-August-Universität Göttingen)
Nach dem Sommer der Migration – Rückkehr zur Kontrolle. Neue Grundzüge des europäischen Grenzregimes
Montag, 12. Juni 2017, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)