Prof. Dr. Dr. Perikles Simon – Vortragsexposé – Wintersemester 2013/2014

Studium generale: Mainzer Universitätsgespräche

"Die erschöpfte Gesellschaft"

Prof. Dr. Dr. Perikles Simon

(Institut für Sportwissenschaft, JGU Mainz)

Die physische Erschöpfung unserer rastlos rastenden Gesellschaft und ihre Folgen

Mittwoch, 20. November 2013, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)



Die körperliche "Erschöpfung" ist Kernbestandteil des Tagesgeschäftes eines klassischen Belastungsphysiologen oder Sportmediziners. Wir "belasten" unsere Patienten und Sportler und erreichen in der Regel einen Grad an physischer Beanspruchung, welcher mit einer "Ausbelastung" und somit einer weitgehenden "Erschöpfung" einhergeht. In den letzten hundert Jahren lag ein wesentlicher Fortschritt der Sportmedizin darin, dass der Grad der physischen Erschöpfung eines Individuums für uns objektiv immer besser messbar und sogar die Folgen einer geplanten Belastung prognostizierbar geworden sind. Dieser Umstand hat uns tiefere Einblicke in die Welt der physischen Erschöpfung, ihrer Ursachen, ihrer Relativität, aber auch der Grenzen ihrer Objektivierbarkeit gegeben. Von einem derartig umfassenden und tieferen Verständnis von Erschöpfung sind wir im Bereich der psychischen Erkrankungen, welche mit Erschöpfung im weiteren Sinne einhergehen, noch weit entfernt.

In diesem Vortrag wird zunächst am Beispiel des Individuums anhand der gut untersuchten und objektivierbaren physischen Ebene der immer wieder ablaufende Zyklus aus Belastung, Beanspruchung und Erschöpfung verdeutlicht. Diese Verdeutlichung bietet im Folgenden einen Erklärungsansatz dafür, wie ein "rastloses Rasten" – also eine pausenlose Schonung in unserer heutigen Gesellschaft – nicht nur zu einer subjektiv stärker wahrgenommenen Erschöpfung, sondern sogar zu einer objektiv stärkeren Erschöpfung führen kann. Chronische Unterforderung kann somit recht plausibel zu objektiv stärkerer Erschöpfung führen. Ich möchte die ketzerische Hypothese in den Raum stellen, dass genau dieser Prozess derzeit auch auf der psychischen Ebene unserer Gesellschaft abläuft.



Perikles Simon studierte Humanmedizin und Verhaltens- und Neurowissenschaften an der Universität Tübingen und der University of Pennsylvania, PA. Nach der Promotion in Medizin 2000 zunächst Stationen als Assistenzarzt an der Universitäts-Augenklinik bis 2003 und am Institut für Hirnforschung in Tübingen bis 2004. Nach Abschluss der Promotion in Verhaltens- und Neurowissenschaften 2004 Tätigkeit als Assistenzarzt und Leiter des Molekularbiologischen Labors in der Medizinischen Klinik Abteilung V, Sportmedizin, in Tübingen. Seit April 2009 Leiter der Abteilung für Sportmedizin in Mainz. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Molekularen Belastungsphysiologie, die sich mit der Frage befasst, welche Mechanismen und Grundvoraussetzungen auf molekularer Ebene für unsere körperliche Leistungsfähigkeit ausschlaggebend sind.


Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Dr. Christian Strümpell (Südasien-Institut, Universität Heidelberg)

Stress und Arbeit in Asien: ethnologische Forschung zu Arbeitsbedingungen in Bangladesch

Mittwoch, 4. Dezember 2013, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)