Studium generale: Mainzer Universitätsgespräche
"Lebenswissen: Vom Umgang mit Wissenschaft"
Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs (Heidelberg)
Lebenswissenschaften und Lebenswelt:
Erfasst die Biomedizin das Lebendige?
Mittwoch, 2. Mai 2007, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)
Die biomedizinischen oder Lebenswissenschaften betrachten Leben als Eigenschaft komplexer organischer Systeme und damit als etwas gegenständlich Vorhandenes. Als objektivierende Wissenschaften versuchen sie, Leben aus seinen Aufbauelementen zu rekonstruieren; das Erleben bleibt dabei jedoch systematisch ausgeblendet. Dem steht unsere Selbsterfahrung als lebendige Wesen gegenüber, in der das Leben und der eigene Leib die Grundlage unseres Lebensvollzugs darstellen und sich daher der vollständigen Objektivierung entziehen. Man könnte sagen: Leben ist das, was immer schon geschieht, während wir versuchen, es zu erforschen, zu berechnen und zu planen. Durch die Beschränkung auf den objektivierbaren Ausschnitt des Lebens hat die Biomedizin heute ein hocheffizientes Eingriffswissen erreicht, das aber auf der anderen Seite mit einer Verdinglichung unserer Selbsterfahrung als Lebewesen einhergeht. Ihre Konsequenzen werden an ausgewählten Beispielen aus dem Bereich der Reproduktionsmedizin und der Neurobiologie dargestellt.
Thomas Fuchs, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie, promoviert in Medizingeschichte und in Philosophie, ist Oberarzt und Leiter der Sektion "Phänomenologische Psychopathologie" an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg. Er leitet das Referat "Philosophische Grundlagen der Psychiatrie" der Deutschen Psychiatrischen Gesellschaft und koordiniert das Europäische Graduiertenkolleg "Disorders and Coherence of the Embodied Self". Zu seinen Buchpublikationen zählen Leib, Raum, Person (Klett-Cotta 2000), Psychopathologie von Leib und Raum (Steinkopff 2000), Zeit-Diagnosen (Kusterdingen 2002), sowie Das Gehirn – ein Organ der Person (Kohlhammer 2007, im Druck).
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Alfred Maelicke (Professor em. für Physiologische Chemie, Universität Mainz)
Von der genetischen Information zum biologischen Wissen
Mittwoch, 9. Mai 2007, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)