Prof. Dr. Dres. h.c. Bernd Rüthers – Vortragsexposé – Wintersemester 2004/2005

Themenschwerpunkt des Studium generale
Wissenschaft und Zeitgeist

Prof. Dr. Dres. h. c. Bernd Rüthers
(Prof. em. für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Handelsrecht, Rechtstheorie an der Universität Konstanz)

Recht als geronnener Zeitgeist?

Montag, 15. November 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Deutschland hat zwischen 1919 und 1989 sechs sehr unterschiedliche politische Systeme und Verfassungen erlebt: Kaiserreich, Weimarer Republik, NS-Staat, Besatzungsregime, Bundesrepublik alt, DDR, vereinigte Bundesrepublik mit wachsender Integration in die Rechtsordnung der Europäischen Union. Die großen Kodifikationen (BGB, StGB, HGB, GewO, Verfahrensgesetze) blieben über die Jahrzehnte weithin fast unverändert. Justiz und Rechtswissenschaft hatten, wie die Rückschau zeigt, keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, trotz ganz unterschiedlicher, ja gegensätzlicher Systemideologien in jeder dieser Verfassungsepochen aus den unveränderten Gesetzen jeweils systemgemäße, inhaltlich oft gegensätzliche Entscheidungen in den gleichen Sachfragen abzuleiten.
Deuten sich hier untrennbare Zusammenhänge zwischen der jeweils etablierten Weltanschauung („Systemideologie“) und dem jeweils geltenden Recht an? Welches sind die Instrumente, die solche Rechtsprechungsergebnisse ermöglichen? Läßt sich die unscharfe Kategorie des Zeitgeistes für die Rechtsentwicklung in allen historischen Epochen genauer definieren? Ist die traditionelle Denkweise des deutschen Idealismus, das geltende Rechts in seinen Verzweigungen als den Ausdruck einer universalen Rechtsidee zu begreifen, angesichts der geschichtlichen Tatsachen noch aufrechtzuerhalten?

Prof. Dr. Bernd Rüthers ist seit 1971 o. Professor der Rechte für Zivilrecht und Rechtstheorie an der Universität Konstanz; von 1976 - 1989 Richter am Oberlandesgericht; 1984 Schlichter im Tarifkonflikt der Metallindustrie um die 35-Stunden-Woche; 1986/87 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin; Mitglied der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages e.V. 1986 - 1998; Mitglied des Beirates der STIFTUNG UNTERNEHMERFORUM LILIENBERG seit 1987; Vorstand der STIFTUNG DEMOSKOPIE ALLENSBACH seit 1996. Vom 1. November 1991 bis zum 31. März 1996 Rektor der Universität Konstanz.
1967 Hans-Constantin-Paulßen-Preis; 1990 Ludwig Erhard-Preis; 1995 Hanns Martin Schleyer-Preis; 1997 Woitschach-Forschungspreis. 1997 Dr. h.c. der Universität Jasi/Rumänien. Emeritiert seit dem Wintersemester 1998/1999; Erneuter Aufenthalt am Wissenschaftskolleg zu Berlin 1999; Dr. h.c. der Katholischen Universität Lublin 2000. Zahlreiche Buchveröffentlichungen zum Zivil- und Arbeitsrecht sowie zur Rechtstheorie und Zeitrechtsgeschichte. 34 Monographien und etwa 330 Beiträge in Fachzeitschriften und sonstigen Publikationen.
Publikationen des Referenten zum Thema:
Die unbegrenzte Auslegung, 5. Aufl., Heidelberg 1997; – Carl Schmitt im Dritten Reich, 2. Aufl., München 1990; – Rechtsordnung und Wertordnung, Konstanz 1986; – Entartetes Recht, 3. Aufl., dtv, München 1994; – Immer auf der Höhe des Zeitgeistes, Konstanz 1993; – Die Wende-Experten, München 1995; – Rechtstheorie, München 1999; – Geschönte – Geschonte Biographien, Tübingen 2001

Nächster Vortrag dieser Reihe:
Prof. Dr. Rüdiger vom Bruch, Prof. für Wissenschaftsgeschichte, Humboldt Universität Berlin:
Historiker als öffentliches Gewissen der Nation. Geschichtswissenschaft im Kaiserreich
Montag, 22. November 2004, 18.15 Uhr, N 3 (Muschel)