Prof. Dr. Emil Angehrn – Vortragsexposé – Sommersemester 2012

STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
"WER IST ICH?"

Prof. Dr. Emil Angehrn (Basel)

Selbstsein und Selbstverständigung.
Das Bild des Menschen zwischen Anthropologie und Hermeneutik

Mittwoch, 16. Mai 2012, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Nach Immanuel Kant sind die Leitfragen der Philosophie – ″Was kann ich wissen?″, ″Was soll ich tun?″, ″Was darf ich hoffen?″ – auf die eine Hauptfrage ″Was ist der Mensch?″ zurückzuführen, so dass man ″im Grunde alles dieses zur Anthropologie rechnen kann″. Anthropologie scheint die Fundamentaldisziplin der Philosophie. Allerdings ist sie im 20. Jahrhundert unterschiedlich beschrieben und kontrovers beurteilt worden. In Frage steht zum einen, ob es so etwas wie eine feststehende Natur des Menschen gibt. Unklar ist zum anderen, in welchem Verhältnis Philosophische Anthropologie zu wissenschaftlichen Erkenntnissen etwa der Biologie, Psychologie oder Soziologie steht. Gegen die anthropologische Orientierung betont die Existenzphilosophie, dass der Mensch nicht über anthropologische Konstanten oder eine vorgegebene Essenz, sondern über seinen Selbstentwurf und die Form seiner Existenz zu bestimmen ist. Die hermeneutische Phänomenologie definiert den Menschen als das Wesen, welches sich die Frage nach sich selbst stellt, die Frage danach, wer er ist und zu sein hat. Die anthropologische Differenz, die den Menschen gegenüber anderen Lebewesen auszeichnet, liegt in dieser Reflexivität. Der Mensch hat ein Verständnis seiner selbst, er fragt nach sich selbst, er entwirft ein Bild von sich selbst. Er ist das sich suchende und sich interpretierende Wesen, das im Prozess der Selbstverständigung sich finden und sich verfehlen kann.

Emil Angehrn, Studium der Philosophie, Soziologie und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Leuven und Heidelberg. Promotion 1976 in Heidelberg, Habilitation 1983 an der Freien Universität Berlin. 1989 Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 1991 Profes¬sor für Philosophie an der Universität Basel. – Forschungsschwerpunkte: Antike Philosophie, 19./20. Jahrhundert, Metaphysik, Geschichtsphilosophie, Politik, Hermeneutik. – Wichtigste Veröffentlichungen: System und Freiheit bei Hegel 1977; Geschichte und Identität 1985; Geschichtsphilosophie 1991; Die Überwindung des Chaos. Zur Philosophie des Mythos 1996; Der Weg zur Metaphysik. Vorsokratik, Platon, Aristoteles 2000; Interpretation und Dekonstruktion. Untersuchungen zur Hermeneutik 2003; Die Frage nach dem Ursprung. Philosophie zwischen Ursprungsdenken und Ursprungskritik 2007; Wege des Verstehens. Hermeneutik und Geschichtsdenken 2008; Sinn und Nicht-Sinn. Das Verstehen des Menschen 2010.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Albert Newen (Professor für Philosophie, Institut für Philosophie II, Ruhr-Universität Bochum)
Wer bin ich? Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung
Mittwoch, 23. Mai 2012, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)