Themenschwerpunkt "Upgrading Humanity? Die Zukunft des Menschen"
Prof. Dr. Erich Kasten
Professor für Neurowissenschaften an der Medical School Hamburg,
niedergelassener Psychotherapeut und Neuropsychologe, Travemünde
Body-Modifications – der eigene Körper als Kunstwerk
Montag, 25. Juni 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
In einer überbevölkerten Welt steigt der Druck, als unverwechselbares Individuum wahrgenommen zu werden; eine von vielen Möglichkeiten sind Körpermodifikationen. Die Avantgarde der ″Modifier″ sucht nach immer extremeren Methoden der Körperveränderungen, etwa Elfenohren, tätowierte Augäpfel, Implants, ″Bagelheads″ oder Schmucknarben. Manche amputieren sogar ganze Gliedmaßen, um das Menschenähnliche zu verlieren und außerhalb der Gesellschaft zu stehen. In einer Wegwerfgesellschaft, in der sich alles mit unglaublicher Geschwindigkeit verändert, schaffen solche Arten der Körperveränderung aber Stabilität: Man verändert seinen Körper dauerhaft. Die Entscheidung für eine Körpermodifizierung ist immer psychologisch motiviert: Warum wünscht sich eine junge Frau einen Totenkopf auf dem Oberarm, die andere dagegen eine Girlande um die Brust? Die dritte lässt sich das chinesische Zeichen für ″Treue″ eintätowieren. Hinter der Wahl für einen Körperschmuck steht immer ein Mensch mit seiner eigenen Persönlichkeit und seiner Lebensgeschichte. Und manche Menschen möchten ihren Leib als Kunstwerk umgestalten. Sie schaffen das Besondere, eine neue Art Mensch, vielleicht sogar den Menschen der Zukunft? Es ist unschwer vorherzusagen, dass die Möglichkeiten, den Körper seinem eigenen Willen zu unterwerfen, durch Methoden der plastischen und ästhetischen Chirurgie in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen werden. Dies wird immer neue Möglichkeiten eröffnen, ihn an persönliche Idealvorstellungen anzupassen. Einzelfälle wie Lizardman, Tigerman oder Etienne Dumont, die uns heute noch unglaublich erscheinen, sind vielleicht in hundert Jahren schnöder Alltag?
Prof. Dr. phil. habil. Erich Kasten wurde in Travemünde (Ostsee) geboren. Er studierte Psychologie in Kiel und arbeitet als Verhaltenstherapeut und klinischer Neuropsychologe in eigener Praxis. Parallel dazu forscht er im neurowissenschaftlichen Bereich und erhielt 2000 eine Gastprofessur im Fach ″Somatopsychologie″ an der Humboldt-Universität in Berlin. Bis 2007 war er als außerplanmäßiger Professor an der Guericke-Universität in Magdeburg tätig, bis 2011 am Universitätsklinikum Lübeck, bis 2013 an der Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen. Seit 2013 ist er berufener W3-Professor für Neurowissenschaften der Medical School Hamburg. Er ist Autor mehrerer Bücher, u.a. über Body-Modification, Somatopsychologie, Halluzinationen, Neuropsychologie und Medizinische Psychologie.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Sascha Dickel
(Jun.-Professor für Mediensoziologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Posthuman werden. Eine gegenwärtige Zukunft
Montag, 2. Juli 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)