Prof. Dr. Frank Göbler – Vortragsexposé – Wintersemester 2007/2008

Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Drama und Theater und das Studium generale laden im Rahmen der Ringvorlesung
DAS KÜNSTLERDRAMA ALS SPIEGEL ÄSTHETISCHER UND GESELLSCHAFTLICHER TENDENZEN
zu folgendem Vortrag ein:

Prof. Dr. Frank Göbler
Institut für Slavistik, Universität Mainz

Künstlerfiguren im russischen Drama von Čechov bis Bulgakov

Mittwoch, 5. Dezember 2007, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)

Vor dem Hintergrund dramatischer Umbrüche in der Gesellschaft entwickelten Literatur und andere Künste in Rußland seit den 1890er Jahren eine bis dahin unerreichte Vielfalt innovativer Ansätze, die mit dem Oberbegriff "Moderne" kaum auf einen aussagekräftigen Nenner zu bringen sind. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den hier vorgestellten Versuchen theatraler Positionsbestimmungen des Künstlers. Anton Čechov (in "Čajka" / "Die Möwe", 1895) richtet seinen distanzierten Blick auf die an verfehlten Ansprüchen Scheiternden. Der Symbolist Aleksandr Blok (in "Balagančik" / "Die Schaubude", 1906) spaltet die Irrwege seines eigenen Künstlertums in verschiedene Figuren auf und erfindet en passant ein Theater der Desillusionierung. Der Futurist Vladimir Majakovskij (in "Vladimir Majakovskij. Tragedija" / "Vladimir Majakowskij. Tragödie", 1913) versucht die Einheit von Kunst und Leben in der Form egomaner Selbstinszenierung zu retten: in der Uraufführung fungiert er als Autor, Titelheld, Regisseur und Darsteller der Titelrolle. Michail Bulgakov schließlich, für den unter Stalin das Theater als einzige künstlerische Überlebensform verblieben war, transponiert (in "Poslednie dni" / "Die letzten Tage", 1934/35) das eigene prekäre Verhältnis zum totalitären Staat in sein dramatisches Porträt Aleksandr Puškins, bei dem der Künstler zugleich das Zentrum der Konstellation bildet und als Figur abwesend ist.

Univ.-Prof. Dr. Frank Göbler (*1957). Studium, Promotion und Assistententätigkeit an der Universität zu Köln. Habilitation ebendort 1991. Nach Lehrtätigkeit an den Universitäten Frankfurt a. M., Heidelberg und Würzburg seit 1997 Professor für Slavische Literaturwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Monographien über die russischen Dichter V. F. Chodasevič (1988) und A. K. Tolstoj (1992). Buchveröffentlichungen aus jüngerer Zeit: Don Juan – Don Giovanni – Don Žuan. Europäische Deutungen einer theatralen Figur. Hg. Frank Göbler. Tübingen, Basel: Francke 2004; Russische Emigration im 20. Jahrhundert. Literatur – Sprache – Kultur. Hg. Frank Göbler unter Mitarbeit von Ulrike Lange. München 2005. Aktuelle Forschungsschwerpunkte: russische Moderne (Dichtung und Theorie), Exilliteratur.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Alfred Gall (Institut für Slavistik, Universität Mainz)
Das Künstlerdrama als Gesellschaftsdrama:
"Gospoda Glembajevi" ("Die Glembays") von Miroslav Krleža
Mittwoch, 12. Dezember 2007, 18.15 Uhr, P 3 (Philosophicum)