STUDIUM GENERALE – MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
WIE FREI IST DER MENSCH?
Prof. Dr. Gerd Otto (Mainz)
Sind wir frei, unsere Organe zu verkaufen?
Über Freiwilligkeit und Kommerzialisierung der Organspende
Mittwoch, 19. Januar 2005, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Die Transplantationsmedizin kann bei Erkrankungen vitaler Organe (Herz, Lunge, Leber) eine lebensrettende Behandlung sein oder aber zu einer deutlich verbesserten Langzeitprognose einschließlich einer besseren Lebensqualität (Niere, Pankreas) beitragen. Die Rate postmortal gespendeter Organe ist in fast allen Industrieländern mit hoch entwickelter Medizin zu gering, um dem Bedarf Rechnung zu tragen. Das hat bei der Nieren- und Lebertransplantation zum Anstieg der Lebendspende geführt.
Bei der Lebendspende wird der menschliche Körper instrumentalisiert. Trotzdem nimmt die Gesellschaft dabei aufgrund des freien Willens (Autonomie) des Spenders im Allgemeinen keinen Anstoß. Warum also nicht auch Organe verkaufen, wenn dies aus freiem Willen erfolgt? Warum wird die Instrumentalisierung des Körpers, der ohnehin in mannigfaltiger Weise instrumentalisiert wird, als unmoralisch angesehen, wenn diese doch bei der Lebendspende erlaubt ist? Ist die Freiwilligkeit bei der Lebendspende wirklich gesichert? Unterscheidet sich diese fragwürdige Freiwilligkeit von einem Zwang, der aus wirtschaftlicher Not entsteht und zum Verkauf eines Organs Anlass geben könnte? Wäre es nicht besser, einen geregelten Markt auch in den Industrieländern zuzulassen, als dem praktizierten Schwarzmarkt in armen Ländern ohnmächtig gegenüber zu stehen?
Weder in der Legislative noch durch ethische Begründungen – so auch nicht in der Moraltheologie oder protestantischen Ethik – lässt sich eine schlüssige Erklärung finden, weshalb beim Organhandel die Grenzen des Erlaubten überschritten werden. Was bleibt, ist die grundsätzliche Befürchtung, dass auch in Industrieländern Kauf und Verkauf entsprechend dem Wohlstandsgefälle erfolgen würden.
Prof. Dr. Gerd Otto, Direktor der Abteilung für Transplantationschirurgie und Chirurgie von Leber, Gallenwegen und Pankreas am Universitätsklinikum Mainz.
Geboren 1944 in Zwickau, Medizinstudium in Rostock, Facharztausbildung in Dresden und Berlin. Promotion 1972, Habilitation 1981. Neben der Tätigkeit in der Viszeralchirurgie seit 1975 wissenschaftliche Tätigkeit in der Transplantationsmedizin (Transplantationsimmunologie, Organkonservierung), onkologische Themen. Ab 1987 Aufbau der Leber- und Pankreastransplantation am Universitätsklinikum Heidelberg, seit 1997 in Mainz.
Nächste Veranstaltung in dieser Reihe:
Prof. Dr. Klaus Lüderssen (Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht,
Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie, Universität Frankfurt am Main)
Aktuelle neurobiologische Forschung und das Strafrecht
Mittwoch, 26. Januar 2005, 18.15 Uhr, N 3 (Muschel)