Prof. Dr. Gert Ueding · Vortragsexposé · Wintersemester 2009/2010

THEMENSCHWERPUNKT DES STUDIUM GENERALE
"STRATEGIEN DER KOMMUNIKATION ARGUMENTATION, LOGIK, RHETORIK"


Prof. Dr. Gert Ueding (Tübingen)

Der Redner als Meinungsführer – von Cicero bis Obama

Montag, 25. Januar 2010, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Dass sich die Bedingungen politischer und juristischer Entscheidungen sowie alltäglicher Handlungen nicht durch Wahrwissen bestimmen lassen, war eine Entdeckung schon der antiken Rhetorik, weshalb sie im Wahrscheinlichen und Möglichen die Prinzipien praktischer Vernünftigkeit und öffentlicher Meinung ausmachte. Isokrates und Aristoteles untersuchten die Orientierungsfunktion der Rede für ein Handeln, das am Nutzen der Allgemeinheit, der Polisbürger, ausgerichtet ist und in der Beratung sein wichtigstes Medium findet. Cicero verändert das Konzept der römischen Realität entsprechend. Der Redner wird zum Meinungsführer, der die politischen Meinungsbildungsprozesse den eigenen Interessen gemäß zu dominieren sucht. Den Gefahren dieses Orator-Konzepts versucht er durch die moralisch-humanistische Verpflichtung des Redners zu begegnen. Ciceros Konzept ist mit wenigen Veränderungen bis in die Gegenwart wirksam und in einer durch Werbung und Propaganda funktionierenden Mediendemokratie von besonderer Aktualität: die rhetorischen Erfolge Obamas demonstrieren das auf besonders spektakuläre Weise.

Prof. Dr. Gert Ueding war von 1988 bis 2009 Direktor des Seminars für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen und Inhaber des einzigen Lehrstuhls für Rhetorik in Deutschland. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur deutschen Literaturgeschichte und Rhetorik, darüber hinaus als Literaturkritiker und Publizist für Presse, Funk und Fernsehen tätig. Als Herausgeber betreut er das Historische Wörterbuch der Rhetorik sowie die Essay-Reihe Promenade und als Mitherausgeber die Reihe Rhetorik-Forschungen sowie das internationale Jahrbuch Rhetorik.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Eddo Rigotti
(Professor für verbale Kommunikation und Argumentationstheorie, Lugano)
Zeitgenössische Argumentationstheorie und Rhetorik:
Entgegensetzungen und Zusammenhänge
Montag, 1. Februar 2010, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)