Prof. Dr. Günther G. Hasinger – Vortragsexposé – Sommersemester 2005

MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
des Studium generale zum Themenschwerpunkt
»ZUFALL - SCHICKSAL - NOTWENDIGKEIT«

Prof. Dr. Günther G. Hasinger (Garching)

Das Schicksal des Universums.
Neue Erkenntnisse der Kosmologie

Mittwoch, 8. Juni 2005, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Die Erkenntnis über die Entstehung und Entwicklung unseres Universums hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Die Galaxienfluchtbewegung, die Struktur der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung und die kosmische Häufigkeit der leichten Elemente lassen sich in einem selbstkonsistenten Modell erklären, in dem das Universum vor 13.7 Milliarden Jahren in einem extrem heißen Feuerball entstanden ist – dem »Urknall«. Die weitere Entwicklung des Universums – die Abkühlung, die Ausbildung großräumiger Strukturen, die Entstehung von Galaxienhaufen, Galaxien, Sternen und Planeten lässt sich einerseits durch detaillierte kosmologische Simulationen beschreiben, andererseits mit immer empfindlicheren Teleskopen und Detektoren sowie immer ausgefeilteren Beobachtungstechniken vermessen. Durch Vergleich von Beobachtungen und Theorie können die das Universum bestimmenden Parameter wie Masse, Energie und die Geometrie des Raumes abgeleitet werden. In den letzten Jahren gab es auf mehreren Gebieten der Kosmologie Paradigmenwechsel: Die Existenz der »Dunklen Materie«, einer bisher unbekannten Art von Teilchen, die etwa 85% der Gesamtmasse des Universums ausmacht, hat sich konkretisiert. Völlig überraschend war jedoch die Entdeckung einer das Universum dominierenden »Dunklen Energie«, welche die Galaxien-Expansion noch weiter beschleunigt. Einen weiteren Paradigmenwechsel gab es bei den massereichen Schwarzen Löchern, die sich nach neueren Erkenntnissen im Zentrum praktisch aller größeren Galaxien befinden – natürlich auch in unserer Milchstraße. Der Röntgenhimmel ist dominiert von einer diffusen Hintergrundstrahlung, die unser Team fast vollständig in diskrete Objekte auflösen konnte – wir sehen dabei das Wachstum der massereichen Schwarzen Löcher über die gesamte Geschichte des Kosmos. Die Schwarzen Löcher müssen demnach praktisch zusammen mit oder bereits vor den Galaxien entstanden sein. Eine große Rolle spielen dabei Verschmelzungsprozesse von Galaxien; in einer nahen Galaxienkollision konnten wir zum ersten Mal zwei schwarze Löcher in der gleichen Galaxie nachweisen, die in der Zukunft miteinander verschmelzen werden. Wenn nach neuesten Erkenntnissen die Expansion des Universums wirklich über unvorstellbar lange Zeiträume anhält, ist es möglich, dass zum Ende sämtliche Materie in Schwarzen Löchern gefangen ist.

Prof. Dr. Günther G. Hasinger, geb. 1954 in Oberammergau. Direktor der Röntgen- und Gammagruppe am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching; Honorarprofessor an der TU München. Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften seit 2002, Vorsitzender des Rates deutscher Sternwarten (RDS) seit 2004. – Träger des Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2005.

Literatur: Günther Hasinger: Entwicklung des Universums, 2001, in: ... und Er würfelt doch!. Von der Erforschung des ganz Großen, des ganz Kleinen und der ganz vielen Dinge von Heiner Müller-Krumbhaar, Hermann-Friedrich Wagner, Wiley-VCH, Weinheim. – Günther Hasinger: Das Schicksal des Universums, 2003, in Verhandlungen der GDNÄ Nr. 122 Halle/Saale An den Fronten der Forschung (2002). – Günther Hasinger: Die Zukunft des Universums, 2003, in Verhandlungen der GDNÄ Nr. 122 Halle/Saale An den Fronten der Forschung (2002). – A. Burkert, R. Genzel, G. Hasinger, G. Morfill, P. Schneider: Status und Perspektiven der Astronomie in Deutschland 2003–2016, Denkschrift (DFG, 2003), Wiley-VCH, Weinheim.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Andreas Bartels (Philosophisches Seminar, Universität Bonn)
Gibt es einen einheitlichen Kausalbegriff?
Mittwoch, 22. Juni 2005, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)