Mainzer Universitätsgespräche
"Was ist Wahrheit?"
Prof. Dr. Hans J. Markowitsch
Prof. em. für Physiologische Psychologie, Universität Bielefeld
Fehlerinnerungen – Ein Phänomen aus Sicht von Psychologie, Neurobiologie und Kriminalistik
Mittwoch, 2. Mai 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Schon 1901 schrieb Freud "Es gibt im allgemeinen keine Garantie für die Richtigkeit unseres Gedächtnisses und doch überlassen wir uns weit häufiger dem Anspruch, dass wir seinen Informationen Glauben schenken können, als es objektiv gerechtfertigt wäre." Die Psychologie hat später dann vielfältige Untersuchungen angestellt, die zeigten, dass falsche Erinnerungen zu unserem Lebensalltag gehören, sie allerdings unter bestimmten Bedingungen und bei bestimmten Persönlichkeitskonstellationen häufiger auftreten als bei anderen. Warum dies so ist und welchem Zweck ungenaues oder falsches Erinnern dienen kann, soll erläutert werden, wobei auch auf mit funktioneller Hirnbildgebung gewonnene Erkenntnisse zu neuralen Korrelaten von Wahrheit, Fehlerinnerung und Lüge Stellung bezogen werden soll. Diese Erkenntnisse demonstrieren, dass neurobiologisch gewonnene Daten zuverlässiger sind als unsere subjektive Erinnerung. Daraus stellen sich dann Fragen (auch aus ethischer Sicht), ob und ggf. inwieweit man testpsychologische und neurowissenschaftliche Methoden anwenden kann und soll, um Zeugenaussagen oder die Aussagen möglicher Straftäter zu verifizieren oder zu falsifizieren.
Hans J. Markowitsch ist Professor em. für Physiologische Psychologie an der Universität Bielefeld. Er studierte Psychologie und Biologie an der Universität Konstanz, war in Kopenhagen an der Medizinischen Fakultät, hatte Professuren für Biopsychologie an den Universitäten von Konstanz und Bochum inne und erhielt Rufe auf Professuren für Psychologie und Neurowissenschaften von australischen und kanadischen Universitäten. Er leitete die Gedächtnisambulanz der Universität Bielefeld. Seine Forschungsgebiete liegen in den Bereichen von Gedächtnis und Gedächtnisstörungen, Bewusstsein, Emotion und Zeugenglaubwürdigkeit. Er ist Autor oder Herausgeber von mehr als 30 Büchern und rund 700 Buch- und Zeitschriftenartikeln.
Publikationen: Markowitsch, H. J. (2009). Das Gedächtnis: Entwicklung – Funktionen – Störungen. München: C.H. Beck. Kühnel, S. & Markowitsch, H. J. (2009). Falsche Erinnerungen. Heidelberg: Spektrum. Markowitsch, H. J. & Siefer, W. (2007). Tatort Gehirn. Frankfurt am Main: Campus.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Jens Jäger (Apl. Professor für Neuere und Neueste Geschichte, Universität zu Köln)
Lügen Bilder? Fotografie und das Versprechen der Wahrhaftigkeit
Mittwoch, 9. Mai 2018, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)