Prof. Dr. Hartwig de Haen – Vortragsexposé – Wintersemester 2011/2012

Themenschwerpunkt des Studium generale
QUEST FOR FOOD – WIE ERNÄHRUNG LEBEN BESTIMMT

Prof. Dr. Hartwig de Haen
(Universität Göttingen)

Hunger und Fehlernährung in der Welt – Stand, Ursachen, Perspektiven

Dienstag, 14. Februar 2012, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)

Die Entwicklung der Welternährung während der letzten 40 Jahre ist durch eine wachsende Kluft von Überfluss und Mangel gekennzeichnet. Einerseits ist trotz einer Verdoppelung der Weltbevölkerung die durchschnittliche Verfügbarkeit von Nahrung pro Kopf nach Menge und Qualität kräftig gestiegen. Anderseits ist die Ungleichheit des Zugangs zu Nahrung nach wie vor extrem groß. Weltweit gibt es eine dreifache Last unzureichender Ernährung: Unterernährung, Überernährung und Fehlernährung, letzteres vor allem in Form von Mikronährstoffmangel. Die Überwindung aller drei Dimensionen von „Ernährungsunsicherheit“ ist technisch kein Problem, sie bedarf nur des politischen Willens weltweit. Investitionen in den Abbau von Hunger und Fehlernährung sind zudem volkswirtschaftlich hoch rentabel.
Im Vortrag werden mit Blick auf die Zukunft drei interdependente zentrale Herausforderungen diskutiert: (1) die Überwindung der chronischen Unterernährung (zurzeit knapp eine Milliarde Menschen); (2) die Steigerung der Produktion von Nahrungsmitteln zur Deckung der nach Menge und Qualität wachsenden Nachfrage der Weltbevölkerung, die bis 2050 von 7 auf über 9 Milliarden Menschen zunehmen wird, und zwar überwiegend in den Entwicklungsländern und verbunden mit fortschreitender Urbanisierung und steigenden Pro-Kopf-Einkommen; (3) spürbare Fortschritte in Bezug auf die Nachhaltigkeit sowohl der Produktion als auch des Konsums mit dem dreifachen Ziel der Schonung knapper natürlicher Ressourcen, des Einsatzes umweltfreundlicher Technologien und der Verlangsamung des Klimawandels – und zwar mit Ansatzpunkten an allen Punkten der Nahrungsmittelkette, von verbesserter Produktivität über den Abbau von Verlusten und Verschwendung bis zur Rücknahme des Überkonsums.
Zugang zu einem Minimum an Nahrung ist ein grundlegendes Menschenrecht. Alle Staaten, die den UN-Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte anerkennen, sind verpflichtet, das Recht auf Nahrung weltweit zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten.

Hartwig de Haen: Studium in Kiel und Göttingen. 1970 Promotion im Fach Agrarökonomie in Göttingen. Von 1971 bis 1974 Studien- und Forschungsaufenthalte in den USA und Korea sowie Tätigkeit als Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Bonn. 1975 Berufung als Professor für Agrarökonomie am Department für Agrarökonomie und rurale Entwicklung der Georg-August-Universität Göttingen, mit Schwerpunkten in Entwicklungs- und Umweltökonomie. Von 1985 bis 1990 Mitglied (ab 1987 Vorsitzender) des wissenschaftlichen Beirates beim BMZ. Von 1990 bis 2005 Beurlaubung von der Universität für Tätigkeit als Beigeordneter Generaldirektor der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom. In der FAO zunächst Leiter des Agriculture Department und ab 1995 Leiter des Economic and Social Development Department. Seit 2006 im Ruhestand. Seit 2008 Mitglied des Präsidiums der Welthungerhilfe.