Themenschwerpunkt des Studium generale
"Gastlichkeit. Über den Umgang mit Anderen"
Prof. Dr. Heidrun Friese
(Professorin für Interkulturelle Kommunikation, Institut für Germanistik und Kommunikation IfGK, Technische Universität Chemnitz)
Grenzen der Gastfreundschaft
Montag, 3. November 2014, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)
Gastfreundschaft betrifft die Grundlagen des Gemeinwesens. Es geht um die Frage: "wie zusammen leben?"
Am Beispiel der Insel Lampedusa, die mittlerweile zu einem der medial verbreiteten Symbole für die europäischen Grenzen der Gastfreundschaft geworden ist, wird sich der Vortrag in einem dynamischen Raum bewegen. In einem ersten Schritt werden undokumentierte Mobilität und die Ambivalenzen der Gastfreundschaft skizziert, die an die alte und historisch überaus wirksame Unterscheidung zwischen Freund und Feind gebunden sind, mit dem Souveränitätsbegriff im modernen Nationalstaat und gegenwärtigen Formen transnationaler Mobilität eine spezifische Bedeutung erhalten und auch die (sozial-philosophische) Frage bewegen, was Gastfreundschaft heißen kann. Mit der westfälischen Bestimmung nationaler Souveränität gewinnen die Spannungen zwischen Mitgliedschaft und Ausschluss, zwischen territorialem Nationalstaat und kosmopolitischem Anspruch besonderes Gewicht, etabliert sich eine konsolidierte Tradition, die auch die Diskussionen über die Anforderungen von (globaler) Gerechtigkeit und ihrer inhärenten politischen und ethischen Dilemmata bis heute beeinflusst. Im Hinblick auf das Politische werden die Spannungen zwischen der Autonomie und Selbstbestimmung einer politischen Gemeinschaft, eines demos und den Formen von Kosmopolitismus und globaler Gerechtigkeit gegenwärtig neu bearbeitet. Im Hinblick auf das Soziale werden die sozialen Bindungen und Trennungen zwischen 'uns' und 'ihnen', die Spannungen zwischen Solidarität und Exklusion, zwischen partikularen kulturellen Identitäten und universalistischen Normen und Werten diskutiert.
Vor diesem Hintergrund kommen in einem zweiten Schritt unterschiedliche Akteure, Praktiken, Institutionen, Diskurse, Bilder in den Blick, die sich beständig kreuzen, unaufhörlich Spaltungen, Spannungen und Konflikte erzeugen. Was dann deutlich wird, sind auch und gerade die Ambivalenzen und Spannungen, die Gastfreundschaft markieren und das ausmachen, was als das Politische bezeichnet werden kann.
Prof. Dr. phil. Heidrun Friese ist Anthropologin und lehrt Interkulturelle Kommunikation an der TU Chemnitz. Zu ihren (interdisziplinär bearbeiteten) Forschungsschwerpunkten zählen Sozial- und Kulturtheorien; postkoloniale Perspektiven; (kulturelle) Identitäten, Konzeptionen von Zeit, Raum und Grenzen; Transnationale Praktiken und (undokumentierte) Mobilität; Freundschaft und Gastfreundschaft. In diesem Kontext hat sie jüngst die Monographie Grenzen der Gastfreundschaft. Die Bootsflüchtlinge von Lampedusa und die europäische Frage (Bielefeld: transcript, 2014) vorgelegt.
Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Burkhard Liebsch (Professor für Philosophie, Ruhr-Universität Bochum)
Zum Ethos europäischer Gastlichkeit
Montag, 10. November 2014, 18:15 Uhr, N 1 (Muschel)