Prof. Dr. Heiko Hecht – Vortragsexposé – Wintersemester 2007/2008

Themenschwerpunkt des Studium generale
"Wahrnehmung und Wirklichkeit"

Prof. Dr. Heiko Hecht (Mainz)

Wahrnehmung und Wirklichkeit:
Vollkommene und unvollkommene Täuschungen

Dienstag, 30. Oktober 2007, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

In meinem Vortrag möchte ich mit einigen Vorurteilen über unsere sinnliche Wahrnehmung aufräumen, und ich möchte eine Reihe von Thesen vertreten, die alle das Ziel haben, unsere Auffassung des Konzeptes "Sinnestäuschung" zu revidieren. Zu den Vorurteilen gehören die Auffassungen, dass Wahrnehmungen auf elementare Empfindungen wie Form, Farbe, Entfernung, Größe, etc. beschränkt sind. Zu den Thesen gehört die Position, dass es unvollkommene Täuschungen gibt, die wir gerade wegen ihrer Unvollkommenheit erkennen können, und dass es vollkommene gibt, die nicht oder nur bedingt erkennbar sind. Zur Illustration werde ich sowohl auf klassische geometrisch-optische Täuschungen eingehen, als auch auf unkonventionelle Täuschungen im Rahmen der intuitiven Physik sowie der virtuellen Realität.
Bei der so genannten intuitiven Physik geht es um unser Alltagsverständnis von Gesetzen der klassischen Mechanik. Unsere Wahrnehmung, also der direkte Zugang zu diesen Gesetzen, ist einerseits erstaunlich adäquat. Andererseits ist er oft im Widerspruch zur Newtonschen Mechanik. Unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit ist hier verzerrt, sie ist auf dem Stand der mittelalterlichen Physik.
Bei der virtuellen Realität geht es darum, gezielt eine irreale Welt zu erzeugen und sie interaktiv erlebbar zu machen. Hier wird die vollkommene Täuschung zum erklärten Ziel und Qualitätsmerkmal.

Prof. Dr. Heiko Hecht, Studium der Psychologie an der Universität Trier und der Universität von Virginia. Dissertation Experimental Psychology, Universität von Virginia (1992). Lehre und Forschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, am NASA Ames Research Center, am Zentrum für interdisziplinäre Forschung in Bielefeld sowie am Massachusetts Institute of Technology. Seit WS 2002/2003 Professur für Allgemeine Experimentelle Psychologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Forschungsschwerpunkte: Kontaktzeitschätzung, Bildwahrnehmung, Virtuelle Realität, Intuitive Physik und Künstliche Schwerkraft.

Für den Vortrag relevante Publikationen: Hecht, H., & Kalkofen, H. (in press). Questioning the rules of continuity editing: an empirical study. Empirical Studies of the Arts. – Hecht, H. & Brauer, J. (2007). Convex rear view mirrors compromise distance and time-to-contact judgments. Ergonomics, 50(4), 601–614. – Hecht, H. (2006). Film as dynamic event perception: Technological development forces realism to retreat. Image: Journal of Interdisciplinary Image Science. (online access: www.image-online.info) – Hecht, H., Schwartz, R., Atherton, M. (Eds.) (2003). Looking into pictures: An interdisciplinary approach to pictorial space. Cambridge, MA: MIT Press. – Hecht, H., & Bertamini, M. (2000). Understanding projectile acceleration. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 26, 730–746. – Oesker, M., Hecht, H., & Jung, B. (2000). Psychological evidence for unconscious processing of detail in real-time animation of multiple characters. Journal of Visualization and Computer Animation, 11, 105–112.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
PD Dr. Michael Huber (Oberarzt, Klinik für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Universität Mainz)
Fähigkeit und Begrenzung.
Der Einfluss seelischer Faktoren auf die zwischenmenschliche Wahrnehmung

Dienstag, 6. November 2007, 18.15 Uhr, N 3 (Muschel)