Prof. Dr. Heinz Paetzold · Vortragsexposé · Sommersemester 2010

Studium generale: Mainzer Universitätsgespräche

"Das Schöne – Formen und Funktionen"


Prof. Dr. Heinz Paetzold (Kassel)

Ästhetik in Japan.

Graf Kukis Analyse von Iki als Prinzip einer städtischen Ästhetik

Mittwoch, 7. Juli 2010, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)



Der Vortrag liefert einen Beitrag zum Verständnis der Ästhetik in Japan. Thema ist des Grafen Kuki Shuzos Essay Die Struktur von Iki (1930). In diesem Buch zeichnet der von 1921–1929 in Europa (Deutschland und Frankreich) lebende japanische Philosoph das Bild einer urbanen Ästhetik, die eng liiert ist an die Sphäre der japanischen Geisha-Kultur. Diese Kultur war in den Vergnügungsvierteln von Edo vom 17. bis 19. Jahrhundert zu Hause. Edo, das schon im 18. Jahrhundert mit mehr als einer Million Einwohner die größte Stadt der Welt war, ist der Name des alten Tokio. Iki meint eine spezifische Geschmackskultur, welche die Ästhetik im intersubjektiven Verhältnis der Geschlechter zueinander prägt und durch Koketterie, herausfordernde Haltung und Resignation ausgezeichnet ist. Zugleich ist Iki eine Lebensform, die Kuki selbst in Parallele setzt zum Dandyismus im Westen, etwa die Lebensweise eines Charles Baudelaire. Der Vortrag wird darlegen, inwieweit Kukis These, dass das Phänomen und die Praxis des Iki nur in der japanischen Kultur beheimatet sind, Teil ist des "Nihonron", eines Diskurses, worin im frühen 20. Jahrhundert japanische Intellektuelle darüber debattierten, was als das Spezifikum Japans zu gelten hat und das dann gegenüber dem kulturellen Hegemonieanspruch der westlichen Welt (Europa, Nordamerika) zu verteidigen wäre. Um die mögliche Aktualität der Ästhetik Kukis auszuloten, werde ich kurz auf Parallelen von Kukis Ästhetik zu Michel Foucaults "Ästhetik der Existenz" hinweisen. Schließlich soll die Frage nach der interkulturellen Ästhetik angedeutet werden.



Prof. Dr. Heinz Paetzold lehrt Philosophie an der Universität Kassel. Er ist Direktor der postgraduierten Kurse über Sozialphilosophie an dem Inter University Centre in Dubrovnik und Leiter einer Forschungsgruppe über Stadtkultur an der Universität Kassel. Er war Gastprofessor an den Universitäten Tokio (Gedai), Amsterdam und Krakau. Er war Direktor des Departments of Theory an der Jan Van Eyck Akademie in Maastricht, Herausgeber der Zeitschrift "Issues in Contemporary Culture and Aesthetics" (1995–2000) und des "International Yearbook of Aesthetics" (Vol. III).

Er veröffentlichte u.a. die Bücher Profile der Ästhetik in der Postmoderne (1990), Ästhetik der neueren Moderne (1990), Die Realität der symbolischen Formen (1994), The Discourse of the Postmodern and the Discourse of the Avant-Garde (1994), Ernst Cassirer (1995), Symbol, Culture, City (2000; Übersetzung ins Chinesische 2008), Ernst Cassirer zur Einführung (2008. 3. Auflage; Übersetzung ins Koreanische 2002), City Life: Essays on Urban Culture (1997; Hrsg.), Integrale Stadtkultur (2006; Hrsg.) und Interkulturelle Philosophie (2007; Hrsg. mit Wolfdietrich Schmied-Kowarzik). Von 2004 bis 2007 war er Präsident der Internationalen Assoziation für Ästhetik.