Prof. Dr. Henning Saß – Vortragsexposé – Sommersemester 2015

Themenschwerpunkt des Studium generale

SCHULD UND STRAFE



Prof. Dr. Henning Saß

(Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen)

Wille, Willensfreiheit und Schuldfähigkeit aus psychopathologischer Sicht

Montag, 29. Juni 2015, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Zentral für die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Täters ist eine Auseinandersetzung mit dem Problem des freien Willens. Dies soll hier nicht aus philosophischer, sondern aus der psychopathologischen Sicht des forensischen Psychiaters geschehen. Als Modell für die praktische Schuldfähigkeitsprüfung gilt die Konzeption eines 'psychopathologischen Referenzsystems'. Danach erfolgt die Erheblichkeitsprüfung für die vier Kategorien seelischer Störungen in den §§ 20, 21 des deutschen Strafgesetzbuches vor dem Hintergrund des klinischen Wissens über die Gesamtheit der psychischen Erkrankungen. Verglichen werden die im speziellen Fall vorliegenden Auffälligkeiten des Untersuchten mit dem breiten psycho(patho)logischen Erfahrungshintergrund von den krankhaften seelischen Störungen. Diese fungieren als 'Kernkategorie' oder 'Höhenmarke' aller für die Schuldfähigkeit relevanten Beeinträchtigungen der psychischen Funktionen. Der verankernde Bezug auf die schweren psychischen Erkrankungen als Prototyp von Schuldunfähigkeit verschafft die empirisch fundierten Orientierungsmaßstäbe für die forensische Praxis. Die Konzeption wird an zwei prototypischen Fallbeispielen erläutert.



Henning Saß, geb. 1944 in Kiel, Medizinstudium in Kiel, Wien und Mainz. Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Neurologie an den Universitätskliniken Kiel und Heidelberg. Promotion 1974 in Mainz. Psychotherapieausbildung in Heidelberg. 1986 Habilitation an der medizinischen Fakultät in Heidelberg über "Psychopathie, Soziopathie, Dissozialität. Zur Differentialtypologie der Persönlichkeitsstörungen". 1987-1990 Universitätsprofessor für Forensische Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 1990-2000 Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Lehrstuhlinhaber an der medizinischen Fakultät der RWTH Aachen. 2001-2010 Ärztlicher Direktor und Vorsitzender des Vorstandes des Universitätsklinikums der RWTH Aachen. 1999-2000 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, 2005-2006 Präsident der European Psychiatric Association. Seit 2011 verstärkt Tätigkeit als forensisch-psychiatrischer Gutachter. ̶ Forschungs- und Publikationsschwerpunkte: Persönlichkeitsstörungen, Psychopathologie, Diagnostikforschung und Forensische Psychiatrie. Langjährige Tätigkeit als (Mit-)Herausgeber der Zeitschriften Der Nervenarzt, Persönlichkeitsstörungen: Theorie und Therapie, International Journal of Behavioral Sciences of Psychiatry and the Law, Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, (Mit-)Herausgeber der deutschen Ausgaben von DSM III, DSM IIIR, DSM IV TR und DSM-5 sowie des Handbuchs der Forensischen Psychiatrie (5 Bde.) und des International Handbook on Psychopathic Disorders and the Law (2 Bde.).

Nächster Vortrag in dieser Reihe:

Prof. Dr. Hans-Joachim Pieper (Professor für Philosophie, Institut für Philosophie, Universität Bonn)

'Hat er aber gemordet, so muß er sterben'. Klassiker der Philosophie zur Todesstrafe

Montag, 6. Juli 2015, 18:15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)