Prof. Dr. Herbert Csef · Vortragsexposé · Wintersemester 2009/2010

STUDIUM GENERALE: MAINZER UNIVERSITÄTSGESPRÄCHE
"DER SINN DER SINNFRAGE"

Prof. Dr. Herbert Csef (Würzburg)

Krankheit und Sinnfindung

Mittwoch, 20. Januar 2010, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)

Krankheiten und Schmerzen sind nach Friedrich Nietzsche die großen Lehrmeister des Menschen. Hinsichtlich der Sinnfrage zeigen Krankheiten eine eigentümliche Dialektik: Krankheiten können entweder einen tiefen Sinnverlust hervorrufen, oder sie können eben auch zur Sinnfindung beitragen. Für die Krankheit "Depression" ist beispielsweise der Sinnverlust geradezu pathognomisch. Für den depressiven Menschen ist das Leben sinnlos geworden. Er fühlt sich in einer existentiellen Krise, aus der er keinen Ausweg sieht. Das Erleben von Ausweglosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit führt dann nicht selten zum Suizid. Ganz anders kann sich die Dynamik der Sinnfrage beim Krebskranken offenbaren. Zahlreiche Krebskranke geben an, dass durch die Krebserkrankung ihr Leben kostbarer, intensiver und sinnvoller geworden sei. Diese Sinnfindung durch die Krankheit "Krebs" weist auf eine mögliche Existenzsteigerung hin, die letztlich schon Friedrich Nietzsche vor Augen hatte, als er die Krankheit als Lehrmeister beschrieb. Es ist sicherlich kein Zufall, dass das kürzlich erschienene Buch von Ruth Pillat (2005) den Titel trägt: "Mein Krebs – mein Lehrmeister". Durch die Fortschritte der Onkologie haben sich die Überlebenschancen von Krebskranken deutlich verbessert. Vor allem die Überlebenszeiten haben sich wesentlich verlängert. Die Krebserkrankung wurde dadurch immer mehr zu einer chronischen Erkrankung, mit der es zu leben gilt. Trotzdem hat die Krebserkrankung das Omen und Stigma einer potentiell todbringenden Erkrankung bis heute nicht verloren. Insofern ist der Krebskranke der Neuzeit prädestiniert, über den Zusammenhang von Sinnfrage und Krankheit Auskunft zu geben.

Herbert Csef, geb. 1951, ist Universitätsprofessor für Psychosomatik und Leiter des Arbeitsbereiches Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II der Universität Würzburg. Nach Studien der Medizin und Psychologie promovierte er 1981 und habilitierte sich 1986 über die Psychosomatik von Zwangserkrankungen an der Universität Würzburg. 1988 erhielt er den Ruf auf eine neu geschaffene Professur für Psychosomatik, die in der Inneren Medizin im Universitätsklinikum Würzburg implementiert wurde. Dort leitet er seit 1988 den neu geschaffenen Arbeitsbereich Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Psychoonkologie, Psychoneuroimmunologie, Palliativmedizin und Medizinische Ethik. In seiner psychotherapeutischen Kompetenz ist er seit mehr als zwei Jahrzehnten als Dozent, Supervisor und Lehranalytiker tätig. Er ist seit Jahren Vorsitzender des Psychotherapeutischen Kollegs Würzburg, das in großem Umfang Ärzte zu Psychotherapeuten weiterbildet.

Nächster Vortrag in dieser Reihe:
Prof. Dr. Volker Gerhardt (Praktische Philosophie, Rechts- und Sozialphilosophie, HU Berlin)
Der Sinn von Sinn
Mittwoch, 27. Januar 2010, 18.15 Uhr, Hörsaal N 1 (Muschel)