Prof. Dr. Hubert Locher – Vortragsexposé – Wintersemester 2004/2005

Themenschwerpunkt
Wissenschaft und Zeitgeist

Prof. Dr. Hubert Locher
Prof. für Kunstgeschichte, Staatl. Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Die »Stunde Null« und die Kunstgeschichte in Deutschland. Über die Schwierigkeiten des Faches im Umgang mit den Fragen der Zeit

Montag, 6. Dezember 2004, 18.15 Uhr, Hörsaal N 3 (Muschel)

Der Zweite Weltkrieg bedeutete auch für die Kunstgeschichte in Deutschland eine gravierende Zäsur. Viele der avanciertesten Kunsthistoriker waren vertrieben. Während im Ausstellungsbetrieb, an den Akademien und in den Museen allmählich die moderne und zeitgenössische Kunst wieder ins Leben fand, war an den Universitäten so gut wie jede Auseinandersetzung mit Fragen der Zeit und besonders der zeitgenössischen Kunst erstickt. Anstöße hierzu kamen eher von außen, aus dem Ausstellungsbetrieb und den Museen, auch von privater Seite. Als entscheidende theoretische Impulse sind jedoch ausgerechnet die Beiträge eines ehemaligen Sympathisanten des Nazionalsozialismus zu werten, Hans Sedlmayrs, der seit 1951 wieder Professor in München war. Als erklärter Verächter und Gegner der Moderne hat er Wesentliches zu ihrer Analyse und ihrem Verständnis beigetragen, nicht zuletzt indem er die Gegenrede herausforderte. Sie wurde teils von Künstlern wie Willy Baumeister vorgetragen, aber auch etwa vom Kunsthistoriker Werner Haftmann, einem der Verantwortlichen für die Gestaltung der ersten Documenta in Kassel. Noch die wichtigsten Auseinandersetzungen mit der Moderne in den sechziger Jahren von Werner Hofmann und sogar von Max Imdahl zeigen Spuren dieser ersten ideologisch geprägten Auseinander¬setzungen mit der Moderne, die im besonderen Pathos der Nachkriegsdiskussion erst verständlich wird.

Prof. Dr. Hubert Locher ist Professor für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart u. Kustos der Akademiesammlung.

Ausgewählte Publikationen des Referenten zum Thema:
– Kunstgeschichte als historische Theorie der Kunst 1750 – 1950. München: Wilhelm Fink Verlag 2001.
– Für eine Verortung des Bildes im Diskurs. Zur deutschen Übersetzung von Norman Brysons Versuch der Grundlegung einer semiotisch fundierten Kunstgeschichte“, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, H. 48/1, 2003, S. 146-155.
– Die Kunst des Ausstellens. Anmerkungen zu einem unübersichtlichen Diskurs“, in: Hans Dieter Huber, Hubert Locher Karin Schulte (Hrsg.), Die Kunst des Ausstellens. Strategien der Präsentation im 21. Jahrhundert, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz 2002, S. 15-30.
– „Arbeitsfelder und Methoden kunsthistorischer Forschung“, in: Wie kommt Wissenschaft zu Wissen? Hrsg. v. Theo Hug, Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2001, Bd. 2., Einführung in die Forschungspraxis und Methodik, S. 195-211 (Aufsatz, Buch und CD-Rom).

Nächster Vortrag dieser Reihe:
Prof. Dr. Martin Lüdke, Literaturredakteur des SWR Mainz:
Affen für Vietcong. Ein trotziger Rückblick auf die 68er und 'ihre' Literatur
Montag, 10. Januar 2005, 18.15 Uhr, N 3 (Muschel)